‚Environment‘ & ‚Agency‘ als interdisziplinäre Leitbegriffe
Von Promovierenden organisiertes a.r.t.e.s. forum 2017 betrachtet die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt
von James Hargreaves, Pia Heidemeier, Christopher Quadt, Lena Straßburger und Olga Tarapata
Die Ursprünge der global herrschenden ökologischen Krise verortet der Historiker Donald Worster nicht in den (Fehl-)Funktionen der Ökosysteme selbst, sondern im (Fehl-)Funktionieren unserer ethischen Systeme. Die Kapazität zur Reform dieser ethischen Systeme schreibt Worster nicht den einzelnen Wissenschaften allein zu, sondern vielmehr dem interdisziplinären Dialog zwischen den Disziplinen der Literaturwissenschaft, Kulturanthropologie, Philosophie, Geschichte und Geographie. Diese Notwendigkeit zur interdisziplinären Herangehensweise globaler Krisen und Herausforderungen zeigte sich als zentrales Strukturmerkmal des a.r.t.e.s. forum 2017: Unter den Leitbegriffen environment und agency verstand sich das diesjährige forum als disziplinenübergreifende Diskussionsplattform der vielschichtigen Interrelationen von Akteuren und ihren Umwelten in einem Zeitalter, das vielfach als das Anthropozän bezeichnet wird.
Die wechselseitigen Beziehungen zwischen menschlichem Handeln und Umwelt wurden dabei auf ihre systemtheoretischen Entwicklungen und destruktiven Kräfte hin befragt. Das Zusammenbringen von Wissenschaftler/inne/n aus verschiedenen Fachdisziplinen ermöglichte die interdisziplinäre Erörterung, Deutung und Verknüpfung der Begriffe Umwelt und Handlungsmacht sowie ihrer Relevanz für die Positionierung des Menschen in der Welt. Dabei präsentierte in drei Paneln jeweils ein/e Keynote-Speaker die eigene Sichtweise auf die Thematik von environment and agency, auf die jeweils zwei weitere Referent/inn/en unterschiedlicher Disziplinen mit einer Respondenz reagierten.
Unter dem Titel Expeditions into Cosmopolitanism beschäftigte sich Panel I mit der formierenden Rolle des Konzepts Klima im Prozess der U.S. Amerikanischen Nationsbildung. Zu diesem Thema präsentierte Prof. Catrin Gersdorf (Amerikanistik, Universität Würzburg) eine Keynote mit dem Titel „Climate, Cosmopolitanism, and the Formation of the American Republic“. Dr. Birgit Peuker (Sozial- und Kulturanthropologie, Freie Universität Berlin) antwortete mit einer ersten Respondenz, die die Symbolik des Gartens und seine Bedeutung für das Wohlergehen einer Gemeinschaft und darauf aufbauende Grenzbildungen vertiefte. Die zweite Respondenz wurde von Katharina Gröne (Kulturanthropologie, Universität zu Köln) gehalten und beschäftigte sich mit der non-profit Organisation der Oranjezicht City Farm in Kapstadt, Südafrika. Sie verknüpfte environment dabei vor allem mit nachhaltigen Praktiken handelnder Subjekte, die den öffentlichen, urbanen Raum (um)gestalten.
Panel II verstand sich als Explorations into the Politics of Sharing und begann mit einer Keynote von Prof. Joyeeta Gupta (Environment and Development in the Global South, Universiteit van Amsterdam). Mit Blick auf die ungleiche Ressourcenverteilung unseres Planeten befragte Gupta die Machtgefälle zwischen Nord und Süd sowie zwischen industriellen Größen und der Bevölkerung in ihrer Präsentation „The Politics of Sharing our Earth“. Die sich anschließenden Respondenzen von Andreas Folkers (Soziologie, Goethe-Universität Frankfurt) und Dominik Ohrem (Nordamerikanischen Geschichte, Universität zu Köln) nahmen die von Gupta verhandelten Fragen und Kritikpunkte auf und entwickelten die politischen Explorationen des zweiten Panels mit Blick auf infrastrukturelle und biopolitische Aspekte unserer menschlichen Systeme sowie in Bezug auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Mensch und Tier weiter.
Zum Auftakt der Excursions into Ecology and Poetics des dritten Panels hielt Prof. Reinhold Görling (Medien- und Kulturwissenschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) eine Keynote mit dem Titel „Ecology and Poetics“ und führte die Besucher/innen damit durch die Begrifflichkeiten zeitlicher wie räumlicher Modelle von Umwelt und Ökologie und positionierte Handelnde innerhalb dieser dynamischen bis hin zu metastabilen Systeme. Mittels einer kulturübergreifenden Perspektive setzte Daanish Mustafa (Geographie, King's College London) Görlings Ideen in Verbindung mit Literatur und Mythenbildung und schlug mit seiner ersten Respondenz eine Brücke zwischen geographischer und literarischer Betrachtung des Anthropozäns. Natalie Dederichs (Anglistik, Universität zu Köln) schloss das dritte Panel mit ihrer Respondenz ab und beleuchtete Ansätze des Ecocritism und der Ecomimesis, indem sie diese aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive auf Jeff Vandermeers Roman Annihilation (2014) anwendete. Hierbei standen vor allem durch den Menschen ausgelöste Klimaveränderungen und die Einbettung des Menschen in dunkle, ökologische Realitäten im Vordergrund.
Der Abend lud schließlich dazu ein, die theoretischen Verhandlungen des Tages mittels eines Orts- und Perspektivwechsels in die Praxis umzusetzen: Auf dem Gelände des NeuLand e.V. las Karl Wolfgang Flender aus seinem Debütroman Greenwash, Inc. (2016) über die Branche der Öko-PR und zeigte, wie man sich der Einflussnahme des Menschen auf die Umwelt literarisch nähern kann.