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Ein geisteswissenschaftliches Postdoc-Labor als Karriere-Inkubator

Anfänge und Etablierung des a.r.t.e.s. Research Lab

von Dr. David Sittler

Emanuele Caminada und Johannes Schick bei der Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology 2016 (Foto: Eva Jeske)

Das a.r.t.e.s. Research Lab dient zur Unterstützung der Postdoktorandinnen und -doktoranden beim Übergang von der Promotion in eine wissenschaftliche Karriere. Es ermöglicht nicht nur, die eigenen Forschungsprojekte zu verfolgen, sondern sich dabei regelmäßig im Büroalltag, bei der gemeinsamen Lektüre sowie bei Retreats mit Postdoc-Kolleginnen und -Kollegen auszutauschen, sich gegenseitig bei Bewerbungen und Drittmittelanträgen zu unterstützen sowie Tagungen und Workshops durchzuführen und Publikationen zu erstellen, was sich in bemerkenswerter Weise bewährt hat: Allein vier DFG-Einzelprojektanträge sind bewilligt worden (von Bernhard Hollick, Johannes Schick, Mario Schmidt und Susanne Schregel). Stefan Niklas hat eine Stelle als Assistenzprofessor an der Universität Amsterdam bekommen, Emanuele Caminada ist seit 2016 Hauptmitarbeiter am Husserl-Archiv der Universität Leuven, Philipp Steinkrüger lehrt an der Universität Bochum in der Philosophie, Nina Engelhardt ist Lecturer in der Anglistik der Universität Köln. Michael Homberg ist mit seinem am Research Lab begonnenen Forschungsprojekt seit 2018 Feodor Lynen Research Fellow an der Stanford University/University of California, Berkeley. Marie Louise Herzfeld-Schild kann ihre musikwissenschaftlichen Forschungen zu Historischen Emotionen derzeit als Marie-Curie/EURIAS Fellow in Cambridge, UK fortsetzen und ist ebenso wie Thiemo Breyer aktuell Fellow am „Jungen ZiF“ (Zentrum für Interdisziplinäre Forschung) an der Universität Bielefeld. Ulrich van Loyen forscht und lehrt an der Universität Siegen und aus seinen Forschungen in seiner Zeit am Research Lab ist die Monographie „Neapels Unterwelt. Über die Möglichkeit einer Stadt“ hervorgegangen. Er wurde sogar im italienischen Radiosender Rai 3 interviewt.

Vernetzung mit Promovierenden und Forschungsinitiativen der Fakultät

Die großartige Infrastruktur bei a.r.t.e.s. sowie die Möglichkeit, zusätzlich auch interne Fördergelder einzuwerben, ermöglichen Postdocs – darunter immer wieder auch Gästen aus dem Ausland – die Vernetzung mit Doktorandinnen und Doktoranden sowie mit Forschungsinitiativen der gesamten Fakultät: dem Global South Studies Center (GSSC), dem Internationalen Kolleg Morphomata, der CA IV „Cultures and Societies in Transition“ und mehreren SFB-Teilprojekten: SFB 806 „Our Way to Europe“, SFB 1187 „Medien der Kooperation“, SFB/TR 228 „Future Rural Africa: Future-making and social-ecological transformation“. Aus diesen Kooperationen entstehen, wie im Falle des Workshops „The Situationality of Human-Animal Relations“, organisiert von Thiemo Breyer in Kooperation mit Thomas Widlok und Tanja Theißen (beide CA IV) auch Publikationen, an denen sich die Mitglieder des Research Lab beteiligen. Im Zuge gemeinsamer Lektüren – beispielsweise von Bruno Latours Schriften, als dieser als „Albertus-Magnus-Professor“ nach Köln kam – wurden regelmäßig interessante Diskussionen zu zentralen Begriffen geführt. Im Rahmen des a.r.t.e.s. Research Master-Programms boten die Postdocs interdisziplinäre Seminare an, in denen Studierende direkt in Forschungsdiskussionen einbezogen wurden.

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  • Diskutieren im a.r.t.e.s. Research Lab (Foto: Evi Blink)
  • Martin Zillinger und Thiemo Breyer (Foto: Evi Blink)

Nachwuchsforschungsgruppen „Transformations of Life“ und „Transformations of Knowledge“

Martin Zillinger übernahm von 2013 bis 2018 als Juniorprofessor für „Transformations of Life“ die Leitung der gleichnamigen Postdoc-Nachwuchsforschungsgruppe und führt nun seit dem Sommersemester 2018 von seiner Professur für Ethnologie an der Universität Köln aus die Arbeit fort. Vor allem findet im Research Lab die Arbeit der „Mauss-Werkstatt“ statt. Johannes Schick, Mario Schmidt, Ulrich van Loyen und Martin Zillinger bereiten eine Edition wichtiger Schriften von Marcel Mauss und Émile Durkheim vor und Ende des Jahres 2018 erschien bereits die zweite vom Projekt herausgegebene Ausgabe der Zeitschrift für Kulturwissenschaften zur „Homo Faber“-Debatte. Im Juni 2018 veranstaltete sie in Kooperation mit dem SFB 1187 „Medien der Kooperation“ der Universität Siegen – mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung – bereits die zweite große internationale Konferenz zur Durkheimforschung „Multiplying Durkheim. Hidden Texts, Hybrid Categories, and Holistic Thought“, nachdem im Mai 2017 mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung bereits Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Großbritannien und den USA eingeladen werden konnten, deren Beiträge 2019 bei Berghahn Books erscheinen werden.

Seit 2014 leitete Thiemo Breyer als Juniorprofessor für „Transformations of Knowledge“ am Research Lab die zweite Postdoc-Gruppe. Seit Oktober 2018 ist er als „Heisenberg-Professor für Philosophie“ an der Universität Köln ebenfalls weiterhin am Research Lab aktiv. Als Mitglied des internationalen DFG-Netzwerks „Understanding Others“ war Thiemo Breyer 2017 Gastgeber einer Netzwerk-Tagung. Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Historische Emotionsforschung“ arbeiten er und Marie Louise Herzfeld-Schild mit dem Musikwissenschaftlichen Institut, Frank Hentschel, zusammen. In Kooperation mit dem Kölner Käte Hamburger Kolleg Morphomata führten sie 2017 die Tagung „Melancholie und Empathie“ durch, nachdem Stefan Niklas bereits 2013 – ebenfalls in Kooperation mit Morphomata – eine Tagung und eine Publikation zu „Formen der Artikulation“ realisiert hatte. Sidonie Kellerer hat ihr VW-Freigeist-Forschungsprojekt „Heidegger und die Postmoderne“ seit 2017 an das Research Lab angeschlossen. Gemeinsam mit Emanuele Caminada hat sie zum Auftakt ihrer Arbeit Emmanuel Faye für eine öffentliche Buchvorstellung und Diskussion zu seinem Werk „Arendt et Heidegger“ nach Köln eingeladen.

Forschungsschwerpunkt I: Praxistheorie

Zu Beginn des Research Lab 2013 galt es, den Begriff ‚Transformation‘ wissenschaftlich aufzuarbeiten, unter anderem in Form eines Workshops im Oktober 2014 und der zweiten a.r.t.e.s.- Ringvorlesung „Kulturen des Wissens. Zur Konstitution und Transformation epistemischer Gegenstände und Praxen“ im Jahr 2015. ‚Praxistheorie‘ erwies sich als erster und übergreifender Schwerpunkt. Zu praxistheoretischen und praxeologischen Fragestellungen wurde eine ganze Reihe interdisziplinärer Tagungen durchgeführt. Die intensivste Zusammenarbeit mit Doktorandinnen und Doktoranden zeigte sich insbesondere bei dem von Susanne Schregel und David Sittler mit Stefanie Coché vom Historischen Seminar und den beiden Promovierenden Ann-Kristin Kolwes und Byron Schirbock mit Unterstützung von Ralph Jessen durchgeführten Workshop „Historisch, praktisch, gut? Potenziale und Grenzen praxeologischer Ansätze für die Geschichtsschreibung zum 19. und 20. Jahrhundert“, dem von Mario Schmidt und dem Doktoranden Christoph Lange veranstalteten Workshop „Monetary Games, Big Data and Mereological Magic. Gambling, Speculation and Numerology in an Age of Uncertainty“. Marie Louise Herzfeld-Schild hat gemeinsam mit der Doktorandin Evelyn Buyken den Workshop „Speicher musikalischen Wissens. Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis“ durchgeführt. Adi Efal und der Doktorand Marco Cavallaro haben die Tagung „Subject, Character, Habit“ und Ursula Gießmann mit der Doktorandin Eva-Maria Cersovsky den internationalen Workshop „Gender(ed) Histories of Health, Healing and the Body, 1250–1550“ veranstaltet.

Forschungsschwerpunkt II: Interdisziplinäre Anthropologie

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Anthropologie aus interdisziplinärer Perspektive, zu dem sich das Kooperationsprojekt der Werkstatt „Interdisziplinäre Anthropologie“ bildete. Bereits die erste a.r.t.e.s.-Ringvorlesung 2014 befasste sich mit der Frage „Was ist Anthropologie? Die Frage nach dem Menschen und seiner Praxis in den Wissenschaften?“. Thiemo Breyer und Martin Zillinger boten 2016 gemeinsam eine Graduate Reading Group zur „Interdisziplinären Anthropologie“ an. Matthias Schloßberger vertrat von Oktober 2014 bis März 2015 Thiemo Breyer und setzte sich besonders für die Beschäftigung mit der Kölner Philosophischen Anthropologie ein. In Kooperation mit der Max Scheler-, der Helmuth Plessner- sowie der Nicolai Hartmann-Gesellschaft wird auf Initiative von Emanuele Caminada und unter organisatorischer Leitung von Erik Dzwiza 2019 eine Konferenz zum Thema „Philosophische Anthropologie als interdisziplinäre Praxis“ stattfinden, die diese rahmende Fragestellung des Research Lab in den Mittelpunkt stellt. Mit Unterstützung der Competence Area IV und des GSSC konnte der von Erik Dzwiza organisierte Workshop „Anthropologisches Denken im Wandel. Die Frage nach dem Menschen als Herausforderung einer interdisziplinären Wissenschaft“ stattfinden. Johannes Schick hat in den Jahren 2015 bis 2017 jeweils eine vom DAAD finanzierte internationale „Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology“ (CSIA) durchgeführt, bei der er mit Jürgen Richter vom SFB 806 kooperierte, der auch an mehreren weiteren Veranstaltungen aktiv beteiligt war. Marcello Muscari ist nach seiner Teilnahme an der CSIA 2016 nun zum zweiten Mal Gast am a.r.t.e.s. Research Lab.

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Forschungsschwerpunkt III: Epistemische Praxis

Nachdem im Sommersemester 2016 Nina Engelhardt mit Johannes Schick zur Ringvorlesung „Körpertechniken – Imaginationstechniken“ eingeladen hatte, wurde 2017 die Frage der ersten Ringvorlesung – Was ist Anthropologie? – von Thiemo Breyer und David Sittler entsprechend des dritten Schwerpunkts der epistemischen (Medien-)Praxis, Wissenschaftstheorie und -geschichte auf die Frage des wissenschaftlichen Selbstverständnisses der interdisziplinären Anthropologie verschoben. Auch die Ringvorlesung im Jahr 2018 „Medien der Fremderfahrung. Grenzerkundungen zur Ausstellung ‚Michael Oppitz. Bewegliche Mythen‘“, die von Martin Zillinger in Kooperation mit der Medienanthropologin Anja Dreschke, dem KOLUMBA-Museum und der Kunsthochschule für Medien Köln veranstaltet wurde, hatte epistemische Praktiken der Forschung zum Thema. Die „Mauss-Werkstatt“ hat wissenschaftsgeschichtliche Reflexion zwischen Philosophie, Ethnologie und Soziologie ohnehin als zentralen Gegenstand, aber auch die Literaturwissenschaftlerin Nina Engelhardt hat 2015 mit der Kölner Anglistin Julia Hoydis eine Tagung zu „Doing Science: Texts, Patterns, Practices“ veranstaltet, die nun als ‚peer reviewed issue‘ erschienen ist. 2018 war Markéta Jakesova aus Prag als Gastforscherin am Research Lab, um ihr Projekt zu Phänomenologie, feministischem Marxismus und der Actor-Network Theory weiterzuentwickeln.

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