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Auf dem Weg zu einer interdisziplinären Anthropologie

Die a.r.t.e.s.-Ringvorlesung „Was ist Anthropologie?“ im Sommersemester 2017

von Lars Juschka

Die „II“ im Titel macht es deutlich: Die Frage der ersten a.r.t.e.s.-Ringvorlesung von 2014 „nach dem Menschen und seiner Praxis in den Wissenschaften“ hat sich nach intensiver Forschungsarbeit in den letzten Jahre zur Selbstreflexion der anthropologischen Disziplinen verschoben. a.r.t.e.s.-Juniorprofessor Thiemo Breyer hat gemeinsam mit David Sittler aus dem a.r.t.e.s. Research Lab für das Sommersemester 2017 die Ringvorlesung „Was ist Anthropologie? (II) Die Frage nach dem Menschen und seinem Selbstverständnis in den Wissenschaften“ entwickelt. In ihr kommen sowohl externe Expertinnen und Experten wie auch Angehörige der Universität zu Köln und Mitglieder des a.r.t.e.s. Research Labs zu Wort. Sie alle betreiben in ihren jeweiligen Disziplinen verschiedene Formen der Anthropologie: philosophische, kulturelle, soziale, pädagogische oder historische.

Die Anthropologie in der Selbstreflexion

Erneut wird dabei die Frage nach Nutzen und Nachteil von interdisziplinärer und eben auch multimethodischer Anthropologie im Zentrum stehen. Wo vor drei Jahren jedoch eine praxistheoretische Schwerpunktsetzung und ein stärkerer Fokus auf Menschenbilder vorherrschten, wird dieses Mal verstärkt das Selbstverständnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als spezifisch ausgebildete und sich weiterbildende Menschen sowie als Forschende der Sub- oder eben Multi-Disziplin ‚Anthropologie‘ diskutiert. Spielarten von Anthropologie erfahren gemäß der Kölner Forschungsschwerpunkte insbesondere mit Blick auf Ästhetik und Medien Beachtung. Sportanthropologie und pädagogische Anthropologie werden nun auch in das Panorama der anthropologischen Grundlagenkontroversen um Themen wie Post- oder Transhumanismus und Mensch-Tier-Verhältnisse mit einbezogen. Das Research Lab nimmt dabei die Grundfrage ‚Was ist Anthropologie?‘ in den Blick und vergewissert sich der wissenschaftshistorischen Vorläufer diverser ‚Anthropologien‘.

Der Semesterauftakt

Den ersten Vortrag der Ringvorlesung hielt David Sittler (Medienwissenschaft, a.r.t.e.s. Research Lab) mit einer programmatischen Darstellung der historisch-anthropologischen sowie medien-anthropologischen subdisziplinären Forschungsansätze, die er vorschlug, zu einer medienhistorischen Anthropologie zusammenzuführen. Peter Marx (Theaterwissenschaft, Köln) stellte in der zweiten Semesterwoche die Geschichte der Kölner Theaterwissenschaften an Hand ihres schillernden, teilweise völkisch denkenden Gründervaters Carl Niessen dar und machte deutlich, dass dieser eine implizite Anthropologie des theaterspielenden Menschen entwickelt habe, an die man kritisch und dennoch fruchtbar anknüpfen kann. Niessens Nachlass – unter anderem etliche unveröffentlichte Manuskripte zu dessen Theaterhandbuch – sei eine Schatzgrube an Zitaten und Materialien, die im Rahmen einer digitalen Edition der Forschung zugänglich gemacht werden solle. In der dritten Woche versuchten Johannes Schick (Philosophie, a.r.t.e.s. Research Lab) und Mario Schmidt (Ethnologie, a.r.t.e.s. Research Lab) eine Gegenstandsbestimmung der Anthropologie zwischen philosophischer (Technik-)Anthropologie und theoretischer Ethnologie zu leisten. In der vierten Vorlesung stellte Jörg Zirfas (Pädagogik, Köln) seine Überlegungen zur Pädagogischen Anthropologie aus Sicht der ‚Berliner Schule‘ – das heißt aus Sicht des Interdisziplinären Zentrum für historische Anthropologie an der FU Berlin, das er mitbegründet hat, – vor. Die Kölner Diskussion wird so auch an die Humanwissenschaftlichen Fakultät getragen, an der Zirfas seit 2014 die einzige Professur für Pädagogische Anthropologie in Deutschland inne hat.

… und wie geht es weiter?

In der fünften Vorlesung wird Christoph Lange (Ethnologie, a.r.t.e.s. Research Lab) im Zusammenhang mit seinem Dissertationsprojekt Untersuchungen zur Komposition des modernen arabischen Pferdes vorstellen. Er erkundet dabei die anthropologische Frage nach den Grenzen des Menschlichen und der Bedeutung von Mensch-Tier-Interaktionen für unterschiedliche Gesellschaften. Als sechste Vortragende wird Marie Louise Herzfeld-Schild (Musikwissenschaft, a.r.t.e.s. Research Lab) auf Grundlage ihrer Forschung über die Rolle der Ästhetik für das Verständnis des Menschen und damit auch für die Anthropologie sprechen. Sie wird zeigen, dass in der Palette einer interdisziplinären Anthropologie eine bisher nicht institutionalisierte Musikanthropologie nicht fehlen darf. In der siebten Vorlesung wird Renate Girmes (Erziehungswissenschaft, Magdeburg) den von ihr eingerichteten Studiengang „Cultural Engineering“ vorstellen. Das Forschungsprojekt im Bereich der bildungs- und kulturwissenschaftlichen Anthropologie dient zugleich der institutionellen Verankerung von inter- und transdisziplinärer akademischer kulturwissenschaftlicher Ausbildung. Adi Efal-Lautenschläger (Philosophie, a.r.t.e.s. Research Lab) wird die achte Vorlesung im Sinne einer Diskussion um eine mögliche Bild-Anthropologie zu „Post-Imagism with a human(ist) figure“ halten. Für den neunten Beitrag wird sich Jos de Mul (Philosophie, Rotterdam) der Grundsatzfrage stellen, was eine philosophische Anthropologie ist, sein kann und sein sollte. Als zehnter Dozent wird sich Oliver Müller (Philosophie, Freiburg) auf die anthropologischen Tiefenstrukturen des Transhumanismus konzentrieren und somit aus philosophischer Perspektive die bereits bei Christoph Lange anklingende Frage nach den Grenzen des Menschen/Menschlichen aufgreifen. Als elfte Vortragende wird Dorothea Schulz (Ethnologie, Köln) sprechen, die im akademischen Jahr 2016/17 am Center for African Studies in Harvard affiliiert ist. Sie wird ausführen, was sie unter Medienanthropologie verstanden wissen will und welche Fragen ihr aus medienethnologischer Sicht zentral erscheinen. Im zwölften Vortrag wird Volker Schürmann (Sportwissenschaft, Köln) zu Wort kommen, um über Personalität im Sport und die anthropologische Relevanz sportwissenschaftlicher Perspektiven zu sprechen. Den die Ringvorlesung abschließenden Beitrag wird Philipp Steinkrüger (Philosophie, a.r.t.e.s. Research Lab) zum Thema Anthropologie und Utopie liefern und dabei ausloten, welche Rolle utopischem Denken für eine interdisziplinäre Anthropologie zukommen kann.