Denken und Gedachtes: Kognition im Rahmen einer interdisziplinären Anthropologie
Rückblick auf die 3. Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology
von Aldo Wünsch
Der letzte Teil der dreijährigen Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology (CSIA) „The Phenomenality of Material Things: Praxis – Genesis – Cognition“ beleuchtete im September 2017 den kognitiven Pol des Spannungsfeldes der Phänomenalität materieller Dinge und ihrer sozio-kulturellen Wechselwirkungen. Wie auch in den letzten Jahren konnten wir auf die Kooperation und Unterstützung des Internationalen Kollegs Morphomata und des SFB 806 „Our Way to Europe“ bauen.
Die CSIA 2017: Zum Verhältnis von individueller und gesellschaftlicher Kognition
Das Format der Summer School lieferte uns eine Plattform mit flachen Hierarchien, die uns erlaubte, die Arbeit des a.r.t.e.s. Research Lab und anderer universitärer Einrichtungen mit laufenden und zukünftigen Dissertations- und Forschungsprojekten zu verbinden und zu diskutieren. Finanziert durch unsere Kooperationspartner konnten wir den Teilnehmenden aus zahlreichen Disziplinen und Ländern die Möglichkeit eröffnen, den Wissenschaftsstandpunkt Köln kennenzulernen. In interdisziplinären und multimethodischen Perspektiven wurde dieses Jahr das Thema der Kognition in seiner vollen Breite diskutiert. Besonders das Verhältnis von Natur und Kultur sowie individueller und gemeinschaftlicher Kognition erwies sich durch die zahlreichen Präsentationen, Seminare und Lesegruppen als viel diskutiertes Spannungsfeld.
Die Summer School konnte sich dieses Jahr über die zahlreiche Unterstützung von 22 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Griechenland, Belgien, Armenien, Indien, Brasilien, Deutschland und vielen weiteren Ländern freuen, welche das Projekt durch ihre Beiträge, Mitarbeit und Gesellschaft erst ermöglichten. Das Programm wurde so dabei breit und abwechslungsreich konzipiert. Der Vormittag umfasste Vorträge, Seminare und Lesegruppen, welche von den Postdocs des Research Lab, Gästen und Teilnehmenden der Summer School veranstaltet und geleitet wurden. In der Mittagszeit wurden Präsentationen der Forschungsprojekte vorgestellt und diskutiert. Für den Ausgleich von der ‚kopflastigen‘ Ertüchtigung organisierten wir Exkursionen und andere Events, wie zum Beispiel eine Street Art-Stadtführung durch Ehrenfeld, gemeinsame Abendessen und einen Besuch im Neanderthal-Museum in Mettmann, wo neue Kontakte geknüpft und alte gepflegt werden konnten. Als Abschluss konnten wir, zusammen mit allen Mitgliedern von a.r.t.e.s., den sechzigsten Geburtstag von a.r.t.e.s.-Direktor Andreas Speer im Kölner Museum Kolumba zelebrieren.
Eine Sommerschule zwischen Seminarraum und Museum
Inhaltlich eröffnet wurde die Summer School am ersten Tag vom Mitveranstalter Johannes Schick, welcher über die Möglichkeit einer interdisziplinären Anthropologie in Form einer Enzyklopädie technischer Operationen sprach. Anschließend diskutierten wir einen Text von Gilbert Simondon. Nach der Mittagspause folgten zwei Präsentationen über „Alan Turings Philosophy“ (Thomas Hainscho) und „Technological Environmentality“ (Margoth González Woge). Beendet wurde der Tag mit einem Abendvortrag von Andreas Rauh, der über Atmosphären und Aura in der Ästhetik sprach.
Der zweite Tag begann mit dem aktuellen Thema evolutionärer Anthropologie, eingeführt durch eine Lesegruppe von Erik Dzwiza, in der wir den Text „The Social Origins of Cognition“ von Michael Tomasello diskutierten. Im Anschluss lasen wir unter der Moderation von Marcello Muscari einen ethnologischen Text über kubanische Rituale und deren sozio-kulturelle Bedeutung. Am Nachmittag hörten wir zwei Präsentationen über die aktuellen Forschungsprojekte zweier Teilnehmenden und eine weitere Lesegruppe über die wissenschaftliche Methode der Simulation, geleitet von Julie van der Wielen. Der Tag endete nach einer Stadtführung durch das Künstlerviertel Ehrenfelds beim Dinner in einem äthiopischen Restaurant.
Am dritten Tag bewegten wir uns hin zu konkreten Beispielen. Die erste Lesegruppe begann mit der Diskussion zweier Texte zur mittelalterlichen Astrologie. Im Anschluss hörten wir vier Präsentationen über das Verhältnis von landwirtschaftlicher Praxis und Wissen (Justus Hillebrand), „Cultural Landscapes“ (Lusina Harutyunyan), Symboltheorie und Sprache (Elio Antonucci) und Alkohol und Drogenkonsum (Eduardo Doering Zanella). Am Donnerstag leitete Masimilliano Simons den Tag mit einem Text über „A New Critique of Political Economy“ von Bernard Stiegler ein. Im Anschluss präsentierte Céline Pieters ihr aktuelles Projekt zu „Rhetoric und Robotics“. Zur Mittagszeit fuhren wir in das Neanderthal Museum nach Mettmann, um dort das Museum zu besuchen, praktische Techniken des Feuermachens zu erlernen und gemütlich den Tag beim Grillen zu beenden.
Am letzten Tag führte uns Juniorprofessor Thiemo Breyer in die Kognitionswissenschaften ein. Im Anschluss diskutierten wir die „4E’s“ der Kognition, ein grundlegendem Theorem der Kognitionswissenschaften, mit unserer bisherig gesammelten Erfahrung der Summer School. Nach einer Diskussionsrunde über die Ergebnisse und zentralen Fragen der Woche schloss der offizielle Teil der Summer School. Am Abend besuchten wir als gebührenden Abschluss das Kolumba-Kunstmuseum, wo wir eine ausgiebige Führung sowie eine private Weinprobe miterleben durften.
Ein Projekt mit Zukunft!
Die letzte Ausgabe „Kognition“ der dreiteiligen Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology „The Phenomenality of Material Things: Praxis – Genesis – Cognition“ fand bei allen Beteiligten aus dem In- und Ausland eine äußerst positive Resonanz. Neben den ausgiebigen Diskussionen, auch über die Zeiten der Seminare und der Woche hinaus, sind besonders die vielfältigen Netzwerke zu betonen, die über Länder und Disziplinen hinweg gebildet wurden und die die Idee und das Ideal einer tatsächlich grenzübergreifenden, interdisziplinären Forschungsarbeit in Zukunft unterstützen werden.
Wir freuen uns über den Erfolg der Summer School! Auch wenn sie selbst erst einmal beendet ist, lebt sie in vielen zukünftigen Projekten weiter – etwa in der „Werkstatt zur interdisziplinären Anthropologie” von Thiemo Breyer und David Sittler oder dem DFG-Projekt „Handlung, Operation, Geste: Technologie als interdisziplinäre Anthropologie“ – und wird in diesem Rahmen sicherlich nach Köln zurückkehren.