a.r.t.e.s. Forum 2021 "FeindBilder"
Donnerstag/Freitag 14.-15.01.2021
Virtuell über Zoom
Darstellungen der sieben Todsünden und Tugenden, Die Besatzung der Enterprise und die Borg, Heiden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge oder auch Befürworter und Gegner des Brexit teilen die Disposition, dass beide Parteien sich in überindividuellen Punkten unterscheiden, geradezu unversöhnlich erscheinen. Polarisierungen solcher Art benötigen Feindbilder nicht weniger als die Definition der eigenen Position – erst in der Abgrenzung wird das eigene erfahrbar. Wie die Zusammenstellung zu Beginn bereits nahelegt, setzt sich die Funktionalität einer Feindbildkonstruktion über Grenzen von realweltlicher Geschichte, Fiktion und normativen Systemen hinweg, operiert vielleicht gerade an diesen Schnittstellen.
Ethnographische, soziologische und politikwissenschaftliche Forschung haben die Relevanz einer theoretischen Fundierung von Feindbildern bereits seit langem erkannt. Prominentestes Beispiel dafür mag Edward Saids Konzept des „Othering“ sein. Aber auch rezent ist am Konzept des „Feindbildes“, das zu einer derartigen Polarisierung vonnöten ist, immer wieder gearbeitet worden. Achille Mbembe spricht in Hinblick auf antagonistische Praktiken im politischen und gesellschaftlichen Feld von einer auf dem ökonomischen Konkurrenzprinzip basierenden „Politik der Feindschaft“ (Politiques de l’ininmitié), die zugleich inkludierend als auch exkludierend für die jeweiligen sozialen Gruppen und Zusammenschlüsse wirkt. Diese Form der Konfrontation wird von den beteiligten Akteuren zur Handlungsmaxime erhoben, die abstrakte oder konkrete Feindbilder sowohl zur Legitimation der gruppenbezogenen Praxis als auch zur Identitätsstiftung habitualisiert. „Feindbilder sind die aus einem sozial vermittelten dichotomischen Wahrnehmungsmuster resultierenden negativen Einstellungen gegenüber einer anderen Gruppe.“
Dieser bündigen Definition durch Christoph Weller, Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg, aus dem Jahre 2002, gilt es nun interdisziplinäre Perspektiven an diese Seite zu stellen, die mehr als die Funktionalität der sozialen Abgrenzung beleuchten können. Als geistes- und kulturwissenschaftliche Institution ist es das Anliegen der a.r.t.e.s.-Graduate School, die Konstruktion von Feindbildern auch als Epistem kultureller und gesellschaftsbildender Praktiken zu verstehen. Diese Prämisse verlangt vorab, Feindbilder auch in ihrer historischen Dimension auszuloten. Um Feindbilder aber in ihrer historischen wie aktuellen Relevanz beleuchten zu können, müssen Phänomene der Abgrenzung, eingedenk ihrer jeweiligen Medialität, auch auf ihre narrativen oder visuellen Mechanismen hin untersucht werden.
Denn bei Feindildern handelt es sich nicht nur um die funktionale Konstruktion eines Feindes, sondern um die Konstruktion des Bildes des Feindes. Soziale und ethische Isolationsprozesse sind immer auch an ihre ästhetischen und dies bedeutet (audio-)visuellen und narrativen Umsetzungen geknüpft. Zudem muss nicht jedes Feindbild eine als real angenommene Gruppe definieren, ordnen Feindbilder doch auch jegliche Fiktion und gehören als auch normative Setzungen zum imaginativen Depot jeder Gesellschaft. Den Bogen zwischen systematischen Erörterungen der sozialen Logik von Feindbildern und ihren medialen und kulturellen Voraussetzungen zu spannen, soll mit dem Forum 2021 anvisiert werden.
Programm:
14.01.2021
Begrüßung 10:00 – 10:15 Uhr
Andreas Speer
Einordnung und Einführung 10:15 – 10:30 Uhr
Planungsteam a.r.t.e.s. forum
10:30 – 11:30 Uhr
Prof. Dr. Günther Schlee (Minch)
„Feindbilder, kollektive Identifikationen und die Frage nach der Rationalität“
11:30 – 12:30 Uhr
Dr. Nora Krott (Bielefeld)
„Feindbilder und Kulturen der Abwehr: Schranken für die Integrationsgesellschaft Deutschland“
12:30 – 13:30 Uhr Mittagspause
13:30 – 14:30 Uhr
Dr. Floris Biskamp (Tübingen)
„Islamdebatten zwischen demokratischer Kritik und antimuslimischem Rassismus“
14:30 – 15:30 Uhr
Prof. Dr. Alexander Lasch (Dresden)
„Zur Operationalisierung von Othering/Decentering in der Linguistik am Beispiel von Missionsnarrativen aus *Westindien im frühen 19. Jahrhundert“
15.01.2021
10:00 – 11:00 Uhr
Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer (Wuppertal)
„Feindschaft als soziale Beziehung – Gedanken zur Besatzungsgeschichte des Zweiten Weltkriegs“
11:00 – 12:00 Uhr
Prof. Dr. Ralph Jessen (Köln)
„Feindbilder im Kalten Krieg. Zur visual history von Antikommunismus und Antiamerikanismus“
12:00 – 13:00 Uhr
Dr. Dana Ionescu (Göttingen)
„Gegenwärtige Erscheinungsformen des Antifeminismus“
13:00 – 13:30 Uhr
Abschluss