„Wir sitzen alle im selben Boot“
a.r.t.e.s.-Alumna Susanne Mohr über Wege und Umwege in die Wissenschaft
von Simona Böckler
Die Sprachwissenschaftlerin Dr. Susanne Mohr war von 2008 bis 2011 Promotionsstipendiatin im Integrated Track der a.r.t.e.s. Graduate School. Nach ihrer Promotion hat sie sich dazu entschieden, in der Wissenschaft zu bleiben und eine Karriere an der Universität anzustreben. Wir haben mit Susanne über ihre Wege und Umwege in Richtung Professur gesprochen!
a.r.t.e.s. Graduate School: Liebe Susanne, an welchem Punkt deiner wissenschaftlichen Karriere stehst du und welche Etappen haben dich dorthin geführt?
Susanne Mohr: Zur Zeit bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Universität Bonn und habilitiere seit Mitte 2015 am Lehrstuhl für Angewandte Englische Sprachwissenschaft, wo ich zuvor als Lehrkraft für besondere Aufgaben tätig war. Von Haus aus bin ich auch Anglistin und habe an der RWTH Aachen Englische Sprach- und Literaturwissenschaft und Romanische Sprachwissenschaft studiert. Bereits während meines Studiums bekam ich dort jedoch einen Einblick in die Gebärdensprachlinguistik, und verfasste so auch meine Abschlussarbeit zu diesem Thema. Mit meinem Wunsch, meine Forschung auf diesem Gebiet weiterzuführen, ging der Fachwechsel in die Allgemeine Sprachwissenschaft einher, in der ich bei a.r.t.e.s. promoviert habe. Die Freiheit meines Promotionsstipendiums nutzte ich außerdem für einige Zusatzkurse in der Afrikanistik, die mich nun auf meinem weiteren Weg thematisch begleitet haben.
Ein wichtiger Schritt in deiner Karriere war deine Berufung ins „Junge Kolleg“ im Januar. Was ist das Junge Kolleg und wie gliederst du dich dort ein?
Das Junge Kolleg wurde 2006 gegründet und ist Teil der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, welche eine interdisziplinäre Gelehrtengesellschaft aller Fachrichtungen ist. Insgesamt können bis zu 30 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für vier Jahre in das Junge Kolleg berufen werden, wo sie ideell und finanziell unterstützt werden. So erhält jeder Stipendiat die Gelegenheit, in den wissenschaftlichen Diskurs mit den Mitgliedern des Kollegs sowie den Klassen der Akademie zu treten und dort seine Forschung zu diskutieren. Darüber hinaus werden wir durch ein jährliches Forschungsstipendium in Höhe von 10.000 € gefördert, über welches wir frei für unsere Forschung verfügen dürfen.
Ich habe im Januar am Jungen Kolleg begonnen und bin aktuell Mitglied zweier Arbeitsgruppen, eine zum Thema „Media Bias“ und die andere zum Thema „Hochschulpolitik“ bzw. „Chancengleichheit“. In der ersten Arbeitsgruppe analysieren wir verzerrende Berichterstattung durch Medien, ich persönlich widme mich in diesem Rahmen der Negativitätsbias bei der Afrikaberichterstattung in den deutschen Medien. In der Arbeitsgruppe „Hochschulpolitik“ befassen wir uns mit aktuellen hochschulpolitischen Fragestellungen und deren Auswirkungen auf Forschung und Lehre. Im April durfte ich mich außerdem offiziell in der Klasse der Geisteswissenschaften der Akademie als neues Mitglied vorstellen und bin sehr herzlich aufgenommen worden. Einige Mitglieder kamen gleich in der ersten Kaffeepause auf mich zu und wollten mehr über meine Forschung erfahren. Das lässt mich auf einen stimulierenden Austausch in den nächsten Jahren hoffen!
Das Junge Kolleg fördert dich finanziell wie auch ideell. Wie nutzt du die Angebote ganz konkret für deine Forschung?
Die finanzielle Förderung durch das Stipendium habe ich zum Beispiel verwendet, um einen Gastvortrag einer Wissenschaftlerin, die zum Englischen in Namibia forscht und mit der ich mich austauschen möchte, zu finanzieren. Darüber hinaus kann ich durch das Stipendium eine Feldforschung in Sansibar für den Sommer planen, die sonst nicht so einfach möglich gewesen wäre: Diese Forschungsreise wird es mir ermöglichen, ein Projekt zum Englischen in Tansania, das ich mit einem tansanischen Kollegen letztes Jahr ins Leben gerufen habe, zu erweitern. So kann ich zum einen neue Forschungsergebnisse sammeln und gleichzeitig an meiner internationalen Vernetzung arbeiten. Inhaltlich gibt es einige Schnittpunkte zwischen meiner Forschung und der Forschung anderer Junger Kollegmitglieder. Mit einigen bin ich schon in einen engeren Austausch getreten, welcher für meine Forschung und besonders mein Habilitationsprojekt sehr hilfreich war. Aber auch abgesehen von inhaltlichen Diskussionen finde ich es wirklich förderlich, sich mit den anderen Kollegiatinnen und Kollegiaten auszutauschen: Wir sind alle auf einer ähnlichen Karrierestufe, sitzen sozusagen im gleichen Boot. Da ist es schön, zu erfahren, wie andere den (wissenschaftlichen) Alltag meistern.
Im April war du beim a.r.t.e.s. alumni talk „Back to School!“ zu Gast und hast zusammen mit Asuman Lätzer-Lasar zum Thema „Berufswunsch Professorin – oder lieber doch nicht?“ gesprochen. Welche Erfahrungen waren dir wichtig, unseren Promovierenden mit auf den Weg geben?
Asuman und ich haben über unseren wissenschaftlichen Werdegang berichtet, mit einem besonderen Fokus auf der Habilitationszeit: So haben wir beispielsweise die Themenfindung oder Betreuerwahl angesprochen, aber auch die Bewältigung des wissenschaftlichen Alltags auf einer Mitarbeiter- oder Verwaltungsstelle. In der Diskussion im Plenum kamen wir auch auf Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sprechen. Darüber hinaus habe ich die Gründe für meine Fachwechsel vor und nach der Promotion dargelegt, und die damit verbundenen Vor- und Nachteile. Es war mir wichtig, deutlich zu machen, dass eine akademische Karriere nicht immer geradlinig verlaufen muss: So habe ich durch meine Fachwechsel beispielsweise tiefere Einblicke in eine zusätzliche Disziplin und fremde sprachliche Strukturen gewonnen, die mir bis heute sehr nützlich sind, und ich bin nun thematisch breiter aufgestellt, was im Hinblick auf eine Berufung ein Pluspunkt sein kann.
Nach der Promotion habe ich trotzdem oft die Stelle wechseln müssen und etwa teilweise gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen an verschiedenen Universitäten gearbeitet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine solche Flexibilität auf dem Weg zur Professur Voraussetzung ist – gerade dieser Punkt hat später im Plenum viele Fragen hinsichtlich der Situation des Mittelbaus aufgeworfen. In diesem Zusammenhang wurde auch nach meiner ‚Exitstrategie‘ gefragt: Was mache ich, wenn es eben nicht klappt mit dem Berufswunsch Professorin? Natürlich habe ich einen solchen Plan B, der allerdings wieder eng mit meiner Forschung verknüpft ist: Ich könnte mir gut vorstellen, in die interkulturelle Zusammenarbeit zu gehen, insbesondere mit Afrika. Mein Interesse an der Region und den Menschen ist ja einer der Hauptbeweggründe meiner Forschung.
Der Abend war auch für mich sehr spannend, mit angeregten Diskussionen während und auch nach dem Vortrag. Das Feedback war durchweg positiv, obwohl mir von Einigen auch gesagt wurde, dass die Diskussion in vielerlei Hinsicht augenöffnend war. Aber auch dafür haben diejenigen, mit denen ich später noch ausführlicher sprechen konnte, sich bedankt: Sie haben die Ehrlichkeit, mit der wir den Weg nach der Promotion beschrieben haben, geschätzt. Mich selbst wiederum haben die kritischen Fragen des Publikums zum Denken angeregt und ich bin dankbar, Teil dieses Abends gewesen zu sein.
Wir danken Susanne Mohr für das Gespräch!