zum Inhalt springen

Konzept: Kunst und Wissenschaft im Dialog

Ein paar Worte über uns selbst

Das kunstfenster der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne (ehemals a.r.t.e.s. galerie) ist ein Doktorandenprojekt unter dem Dach der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities und damit der Universität zu Köln. Aus der ursprünglichen Idee, die langen hellen Fluren der a.r.t.e.s.-Räumlichkeiten für künstlerische Projekte zu nutzen, ist eine interdisziplinäre Plattform gewachsen, die Kunst und Wissenschaft miteinander in einen produktiven Dialog bringen möchte. Unsere Ausstellungen reichen über rein ästhetische Präsentationen hinaus. Vielmehr möchten wir einen lebendigen Austausch zwischen Künstler/inne/n, Kurator/inn/en und Wissenschaftler/inne/n auf interdisziplinärer und internationaler Ebene schaffen.
Das kunstfenster wurde 2009 in Eigeninitiative von fünf Stipendiatinnen der damaligen a.r.t.e.s. Forschungsschule ins Leben gerufen und ist seitdem zu einem Ort der Denkanstöße und der Begegnungen geworden. Für unsere Projekte arbeiten wir mit Künstler/inne/n, Kurator/inn/en, Studierenden der Kunst und des Designs sowie Kunstbegeisterten mit innovativen Ideen zusammen. Jede Ausstellung wird von einem Rahmenprogramm begleitet, das individuell mit den Künstler*innen ausgearbeitet wird. Entsprechend vielfältig kann dies mit Diskussionen, Vorträgen, Filmabenden oder weniger konventionellen Beiträgen ausgestaltet werden.

 

Im Bilde. Wissenschaft und Kunst
Cornelia Kratz und Constanze Zürn
aus: Katalog zur Ausstellung "If I touched the earth" / Charlotte Warsen 2010

Sind Wissenschaftler auch Künstler und Künstler auch Wissenschaftler? In die Geschichte der Kunst und die Geschichte der Wissenschaft blickend, ergibt sich ein stetiges und ständiges Wechselverhältnis von Miteinander und Nebeneinander der Wissenschaft und Kunst bis in die aktuelle Gegenwart hinein. Der Anspruch, die Welt zu gestalten und zu interpretieren, kann als gemeinsame Wurzel angesehen werden. Ein wesentlicher Einschnitt im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Kunst vollzog sich im Zuge aufklärerischen Denkens, das der Vernunft eine Vorrangstellung gegenüber allen anderen menschlichen Fähigkeiten einräumte. Es kam zu einem Auseinanderdriften der wissenschaftlichen und künstlerischen Methoden, Aufgaben und Funktionen. Im Laufe der Kulturgeschichte verfestigte sich damit eine deutliche Trennung zwischen Wissenschaft und Kunst.

Diese Spezialisierung der Disziplinen bildete zwei Funktionsbereiche heraus, die die Wissenschaft als ‚objektiv‘ agierend und die Kunst als ‚subjektiver‘ Gegenpol ansieht. So unterschiedlich damit Wissenschaftler und Künstler scheinbar an die Objekte ihres Schaffens herangehen, so kreuzen sich ihre Wege doch auf den verschiedenen Ebenen ihres Wirkens, ihres Handelns, ihrer Materialität. Wissenschaft und Kunst erheben ihre gesellschaftliche Relevanz aus dem Potential, Grenzen zu verletzen und zu überwinden, sie geben Denkanstöße, stellen unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit in Frage und beleben den kulturellen Wandel.

Entsprechend naheliegend erscheint eine erneute Annäherung von Wissenschaft und Kunst: So konstatiert Bredekamp eine Aufweichung der „starre[n] Trennung von Kunst und Technik, Spiel und Zweckbestimmtheit“ [1]. Diese Tendenz der Grenzauflösung zeigt sich zum einen in der Beschäftigung der Kunst mit wissenschaftlichen Themen sowie der Adaptation wissenschaftlicher Methoden: der systematischen Beobachtung, des Experiments, der Archivierung. „Das Ergebnis sind ästhetische Produkte, in denen künstlerische und wissenschaftliche Strategien nicht mehr deutlich voneinander zu unterscheiden sind“ [2]. In umgekehrter Weise wird vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kritisch ein ‚fiktionaler‘ Charakter der Wissenschaft diskutiert, den Feyerabend mit „Wissenschaft als Kunst“ [3] provokant pointiert.

Eine ähnliche Rollenverkehrung wird im Interesse am Bild deutlich: Während in der Kunst der Ausstieg aus dem Bild diskutiert wird, erlebt die Wissenschaft den ‚iconic turn‘, in dessen Kontext das Bild durch die Entwicklung neuer Mediensysteme und durch eine zunehmende Piktorialisierung der Wissenschaft an Wert und Relevanz gewinnt, zugleich ist es Gegenstand der Auseinandersetzung in interpretativer oder belegendender Weise. Das apparativ hergestellte Bild – von der Fotografie bis zur Computeranimation – übernimmt eine wichtige Rolle in der Wissensherstellung und Wissensvermittlung. „Das Bild des Körpers ist eine Computertomographie, das Bild der Wirtschaftsbörse ein Flussdiagramm, das Bild der Politik ein Wahlplakat“ [4]. In der Literatur werden nicht nur sprachliche Bilder verarbeitet, sondern gehen Bild und Text eine Symbiose ein. Die Geschichtswissenschaft verwendet die Fotografie, das ‚scheinbar‘ getreue Abbild der Realität, als Quelle und Beleg für ihre Thesen und Argumente. Linguistik und Medizin machen sich ein Bild durch bildgebende Verfahren, die Statistik visualisiert Daten, drückt Zahlen in Balken aus. Bilder geben dem Anschaulichen wie dem Unanschaulichen Gestalt, formulieren empirisch gewonnene Erkenntnisse und komplexe Sachverhalte, Ideen und Denkmodelle. Damit weist das künstlerische wie das wissenschaftliche Bild über eine rein dokumentierende Bestätigung der sichtbaren Welt hinaus.

Beide Repräsentationssysteme, die Kunst und die Wissenschaft, sind auf Darstellungsverfahren angewiesen. Sie alle verwenden Bilder, arbeiten mit Bildern, stellen Bilder her. Doch haben alle denselben Bildbegriff, wenn sie von ‚Bild‘ sprechen? Was ist demnach ein Bild und wo fängt das Bild-Sein an, wo hört es auf? Der langfristig angelegte Dialog soll Einsichten in die unterschiedliche Arbeitspraxis erlauben, um Gemeinsamkeiten zu entdecken und zu erforschen, er soll eine Gesprächsebene etablieren, die eine andere Sichtweise auf Forschung in Auseinandersetzung mit Kunst ermöglicht – denn die forschende Erkundung der Welt ist das Interesse, das Wissenschaftler und Künstler vereint. Dabei hilft es, Phänomene aus anderen Perspektiven zu betrachten, gegen den Strich zu denken. Dieses Ziel setzt sich die A.R.T.e.s.- Galerie mit ihrem Projekt, indem sie einen Raum schafft, in dem die beiden ‚Welten‘ von Wissenschaft und Kunst aufeinandertreffen und in einen Dialog treten können.

[1] Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinen glauben: die Zukunft der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin: Wagenbach 2007³. S. 103.
[2] Brandstätter, Ursula: Grundfragen der Ästhetik: Bild – Musik – Sprache – Körper. Köln: Böhlau 2008. S. 48.
[3] Feyerabend, Paul: Wissenschaft als Kunst. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984.
[4] Bickenbach, Matthias & Axel Fliethmann (Hrsg.): „Bilderwelt – Korrespondenz – Textraum“. S. 7-26. In: Korrespondenzen: Visuelle Kulturen zwischen früher Neuzeit und Gegenwart. Köln: DuMont 2002. S. 7.