Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel
Jule Schaffer über ihre Arbeit bei der SK Stiftung Kultur
von Alessa Hübner
Die ehemalige a.r.t.e.s.-Stipendiatin Jule Schaffer hat im Fach Kunstgeschichte über „Konzepte von Sakralität und Heiligkeit in der Fotografie“ promoviert. Nun arbeitet sie auch hauptberuflich mit Fotografien: als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Registrarin bei der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur in Köln.
a.r.t.e.s. Graduate School: Liebe Jule, kannst du uns die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur kurz vorstellen?
Jule Schaffer: Die von der Sparkasse KölnBonn gegründete SK Stiftung Kultur betätigt sich intensiv in verschiedenen kulturellen Bereichen. Dazu gehören etwa die kulturelle Bildung und Vermittlung von Literatur und Medienkunst an Kinder und Jugendliche, eine ‚Akademie för uns kölsche Sproch‘, ein Tanzarchiv und eben die Photographische Sammlung. Diese wurde 1992 durch den Ankauf des August Sander Archivs gegründet. Seitdem widmet sie sich der Aufarbeitung, Konservierung und Präsentation der künstlerisch ausgerichteten, sachlich-dokumentarischen Fotografie.
Und was genau machst du als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Registrarin der Photographischen Sammlung?
Zu meinen Aufgaben zählt beispielsweise die Betreuung der Sammlung. Dazu gehört das August Sander Archiv, das wir konstant weiter erschließen, etwa durch die Digitalisierung von Briefen und Dokumenten, die Aufarbeitung von Fremdbeständen oder Publikationen. Daneben finden sich in der Sammlung international renommierte Positionen wie Bernd und Hilla Becher, die durch ihre Fotografien von Fördertürmen und Zechen aus dem Ruhrgebiet vielen ein Begriff sind, aber auch jüngere Künstlerinnen und Künstler. Hinzu kommen kleinere, sehr qualitätsvolle Konvolute, etwa von Ruth Hallensleben oder Paul Dobe, die wir aktuell aufarbeiten. Das heißt zunächst einmal, die Bilder zu inventarisieren, zu archivieren und zu konservieren. Insbesondere die direkte Arbeit mit den Fotografien macht dabei große Freude. Wenn die Werke nicht im Depot schlummern, sind sie in wechselnden Ausstellungen zu sehen.
Welche Verbindung gibt es zwischen deiner Arbeit bei der Sammlung und deinem Promotionsthema?
Die Verbindung ist vor allem eine mediale: In meiner Doktorarbeit habe ich mich intensiv damit beschäftigt, wie zeitgenössische Fotografinnen und Fotografen sich mit dem Heiligen und Sakralen auseinandersetzen – ein Thema, das sehr interdisziplinär angelegt war und einen stark theoretisch ausgerichteten Zugang erforderte. Jetzt steht immer noch die Fotografie im Mittelpunkt, aber eher die sachlich-dokumentarische Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel.
Fotografien sind ja gewissermaßen flexible Bilder, die in verschiedenen Formen auftauchen können: sei es als gedrucktes Bild, als Ausstellungsabzug oder als digitale Datei. In meiner Doktorarbeit haben mich diese verschiedenen ‚Orte und Formen des Fotografischen‘ intensiv beschäftigt. Waren für mich vormals vor allem die Bedingungen der künstlerischen Präsentation und Rezeption von Fotografien relevant, so wird diese Auseinandersetzung jetzt um eine sehr konkrete Perspektive erweitert: Denn jede dieser Erscheinungsweisen fotografischer Bilder verlangt in der Praxis nach eigenen Umgangs-, Archivierungs- und Präsentationsformen. Damit einher gehen ganz andere Fragen, die an das Objekt gestellt werden: Welche konservatorischen Bedingungen benötigen verschiedene Fotomaterialien? In welcher Größe können digitale Dateien am besten organisiert werden? Das Archiv wird dabei sowohl als konkreter Ort, in dem die Fotografie als physisches Objekt seinen Platz findet, als auch als Wissensraum, in dem Wissen strukturiert und zugänglich gemacht wird und sich zugleich vielfältige Querverweise bieten, relevant. Diese zusätzliche Ebene empfinde ich als sehr bereichernd.
Woher hast du das Wissen und die Kompetenzen für deine jetzige Tätigkeit?
Die Bestände der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur kannte ich bereits gut durch ein Praktikum und durch Ausstellungsführungen, die ich während meiner Promotionszeit bei a.r.t.e.s. gegeben habe. Vorher habe ich lange im Förderverein des Museum Ludwig in Köln gearbeitet, das Ausstellungswesen war mir also auch nicht fremd. Im Alltag ist aber auch vieles ‚Learning by Doing‘ – etwa die Einarbeitung in die komplexen Datenbanken, die die Sammlung strukturieren.
Gibt es etwas, das dir an der Photographischen Sammlung besonders gut gefällt?
Immer wieder faszinierend ist August Sanders doppelte Anbindung an Kunst und Lebensrealität – als Fotograf war er in den 1920er- und 1930er-Jahren viel im Westerwald unterwegs und hat dort Familien porträtiert: zu Hochzeiten, Feiern und als Erinnerungsbilder. Viele dieser Motive sind in sein großes Porträtwerk ‚Menschen des 20. Jahrhunderts‘ eingeflossen. Es war der Versuch, mit dem Medium der Porträtfotografie ein Bild seiner Zeit zu schaffen, damit hat Sander auch Generationen nachfolgender Künstlerinnen und Künstler in ihrer konzeptuellen Herangehensweise geprägt – so gibt es etwa bei Hans Eijkelboom die ‚Menschen des 21. Jahrhunderts‘.
Zeitgleich entstanden aber eben auch kommerzielle Abzüge, die in den Familien blieben und teilweise über Generationen als kleine Schätze weitergereicht worden sind – im Westerwald zu sein und mit den Leuten vor Ort zu sprechen, die August Sander als Fotografen sehr schätzen und teilweise noch selbst erlebt haben, hat eine ganz besondere, sehr lebendige Qualität, die die Kunst ganz nah ans Leben bringt. Und für das Archiv sind die Informationen wertvoll, etwa wenn Personen auf Fotografien dadurch namentlich identifiziert werden können.
An welchen aktuellen Ausstellungen der Sammlung bist du beteiligt?
Aktuell zeigen wir eine Retrospektive des niederländischen Konzeptkünstlers Hans Eijkelboom, der sich in seinen Arbeiten der Frage nach Identitätsbildung und Typisierung durch Vorstellungsbilder stellt und auch immer wieder die Rolle der Fotografie dabei beleuchtet. Beispielsweise begibt er sich in seinen tagebuchähnlichen ‚Photonotizen‘ in die Fußgängerzone einer Großstadt und fotografiert alle Frauen in zerrissenen Jeans oder alle Männer mit Karopullovern – in der Zusammenschau ergeben sich wirklich spannende und auch sehr humorvolle Konstellationen, die zum Nachdenken anregen, sehr empfehlenswert.
Bei dieser Gelegenheit lade ich alle Leserinnen und Leser sehr herzlich ein, die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur näher kennenzulernen und die aktuelle Ausstellung zu besuchen. Ich stehe für weitere Informationen immer gerne zur Verfügung!
Wir danken Jule Schaffer für das Gespräch!