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Interdisziplinärer Austausch und Totenkult

Exkursion der Studierenden im a.r.t.e.s. Research Master-Programm nach Neapel

von Katharina Müller & Natalie Dederichs

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Wer sich schon in einer frühen Phase des Studiums für forschungsorientiertes Arbeiten interessiert und mit dem Gedanken spielt, eine anschließende Promotion in den Geisteswissenschaften zu beginnen, ist meist mit vielen Fragen bezüglich des Übergangs von der Master- zur Promotionsphase konfrontiert. Gerade an solch einer großen Institution wie der Universität zu Köln ist es dabei nicht immer leicht, den Überblick zu behalten, vor allem dann nicht, wenn der Start des Masterstudiums mit einem Studienortwechsel verbunden ist. Während unserer Zeit bei a.r.t.e.s. haben wir erlebt, dass insbesondere das Research Master-Programm ein hohes Maß an Orientierung in einer Phase der persönlichen Neuausrichtung bietet. So stellt der intime und vor allem interdisziplinäre Rahmen des Research Masters nicht nur eine Chance dar, neue Ideen oder laufende Projekte wie beispielsweise die Masterarbeit in einem geschützten Raum zu diskutieren, sondern auch mit Studierenden verschiedenster Fächerkombinationen, die sich alle in einer ähnlichen Situation des Umbruchs befinden, in engen persönlichen Kontakt zu treten. Dieses Privileg, innerhalb von a.r.t.e.s. Lehrveranstaltungen auch einmal über den eigenen fachlichen Tellerrand blicken und mit Studierenden sowie Lehrenden netzwerken zu können, die wir im normalen Verlauf unseres Masterstudiums höchstwahrscheinlich nicht kennengelernt hätten, haben wir im vergangenen Jahr sehr zu schätzen gewusst. Neben außeruniversitären Treffen wie beispielsweise dem Stammtisch, Weihnachtsmarktbesuchen oder abendlichen Lagebesprechungen ist uns dieses Jahr besonders die Exkursion nach Italien im Gedächtnis geblieben.

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Dazu reiste eine Gruppe von Research Master-Studierenden im Rahmen des Seminars „Institutionalisierte Krisen. Neapolitanische Rituale in historischer und sozialanthropologischer Perspektive“ von Dr. Ulrich van Loyen aus dem a.r.t.e.s. Research Lab vom 16. bis 20. April 2017 nach Neapel. Der Zeitpunkt über Ostern war nicht zufällig gewählt, sondern ganz bewusst, um am Ostermontag am alljährlichen Kult der Madonna dell’Arco teilzunehmen. Seit dem 16. Jahrhundert haben sich in Neapel christliche und andere religiöse Kulte zu einer ganz eigenen, neapolitanischen Form von Spiritualität vermischt. Genau in diesem Spannungsfeld bildete sich der Madonna dell’Arco-Kult aus, welcher in der neapolitanischen Unterschicht beheimatet ist. Im Seminar behandelten wir sowohl historische Reiseberichte über Neapel sowie anthropologische Abhandlungen über die Ausübung verschiedenster Kulte. Dabei ist zu beobachten, dass eine gleichzeitige Entwicklung dieser Kulte in Abhängigkeit von krisenbehafteten Zeiten stattfand. Neapel als wichtiges Handelszentrum im Golf von Neapel ist durch die Nähe zum Vesuv massiv von Eruptionen und Überschwemmungen geprägt und überschattet. Eine Form der Realitätsbewältigung stellt dabei das praktische Anwenden von pseudo-dauerhaften Überbrückungsmöglichkeiten dar, die sich in der Gesellschaft langfristig etablieren konnten und das Stadtbild sowie die sozialen Gefüge Neapels bis heute prägen. Darin sieht auch die Mafia eine Angriffsfläche und nutzt die Krisenstimmung, um ihre Macht und Herrschaft zu konsolidieren. Dabei kontrolliert sie Krisen und führt etwa bewusst solche ein, um in Verbindung mit der Bevölkerung ein Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen. Dieser Aspekt erklärt auch den im Titel des Seminars angesprochenen Aspekt der „Institutionalisierten Krisen“.

Ziel der Exkursion war es, typisch neapolitanische Gepflogenheiten, Riten und Kulte vor Ort kennenzulernen. So beobachteten wir nicht nur den Kult der Madonna dell’Arco am Ostermontag, ein Spektakel, welches heute große mediale Aufmerksamkeit erhält, sondern konnten teilweise selber an Prozessionen teilnehmen. In Ektase bitten die Neapolitaner um den Segen für Familie, Haus und Gesundheit. Ergänzend dazu besuchten wir die Santuario dell‘Madonna dell’Arco in Sant’Anastasia. In dieser Klosteranlage findet auch heute noch die Anbetung der Madonnenfigur samt Devotionaliengabe statt. Eine andere lokale Tradition, welche gleichzeitig heute als Sehenswürdigkeit gilt, ist die Bestattung der Toten in unterirdischen Anlagen und großräumigen Unterkirchen unter der Stadt. Intensiv setzten wir uns in Neapel selbst mit den Ideen und Umsetzungen dieses Totenkultes auseinander, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich in einem sehr persönlichen Kontakt um jeweils eine Seele im Fegefeuer zu kümmern.

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Foto: Marcel Flach

Für die theoretische Aufarbeitung der Kulte stand uns ein Seminarraum der neapolitanischen Universität zur Verfügung. Diesen konnten wir für die Vorbereitung von studentischen Referaten nutzen, die sich beispielsweise mit neapolitanischen Literatur- und Filmerzeugnissen beschäftigten. Ergänzt wurden die studentischen Vorträge durch Impulse aus der Anthropologie, Ethnologie oder den Gender Studies. So begeisterte die Teilnehmenden rückblickend gerade die Interdisziplinarität. Das enge Zusammenrücken und das intensive gemeinsame Arbeiten während der Exkursion ist allen sehr positiv und bereichernd in Erinnerung geblieben. Wie ein Studierender berichtet, sei gerade der Austausch zwischen den verschiedenen Fachrichtungen am spannendsten gewesen. Die Teilnehmenden kamen aus Disziplinen wie Kunstwissenschaften, Public History, Geschichtswissenschaften, Germanistik und Literaturwissenschaften.

Das Miteinander von Studierenden, Dozent und einheimischen Kultanhängern war sehr fruchtbar und hat uns dabei geholfen, die neapolitanischen Kulte aus verschiedenen Perspektiven heraus wahrzunehmen. Der ständige Austausch über persönliche Eindrücke sowie das Arbeiten, Beobachten, Teilnehmen, Besichtigen und Diskutieren vor Ort hat dieses Seminar und die Exkursion zu einer intensiven praktischen und interdisziplinären Erfahrung werden lassen. „a.r.t.e.s. hat mir dahingehend Türen geöffnet“, so fasst eine Research Master-Studentin die produktive und praxisnahe Lernatmosphäre im Research Master-Programm zusammen. Wir hoffen, dass wir auch zukünftig von den gemachten Erfahrungen bei a.r.t.e.s. profitieren können und dass uns die geschlossenen Bekanntschaften weiterhin eine Unterstützung auf unserem Weg Richtung Promotion sein werden.