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Dissertationsprojekt von Stephan Regh

Seeing Red When Facing a Colorless World: Towards a Realist Ontology of Colors (Arbeitstitel)

Farben spielen in vielfältigen Bereichen unseres täglichen Lebens eine herausragende Rolle: Sie unterstützen uns bei der Orientierung im Raum, ermöglichen uns das effiziente Identifizieren und Memorieren von Objekten und leisten wertvolle Dienste beim Erkennen von wichtigen Eigenschaften, wie etwa der Reife einer Frucht. Auch im Rahmen vieler wissenschaftlicher Praktiken erfüllen Farben zentrale Funktionen. Eine Farbveränderung im Lackmuspapier zeigt Säure an; eine gelbliche Hautfarbe verweist auf einen Leberschaden. Es wundert daher nicht, dass wir in unserem alltäglichen Sprechen und Denken Farben als Teil der geistesunabhängigen Wirklichkeit betrachten. Ein Gegenstand besitzt demnach eine Farbe, ebenso wie er eine bestimmte Größe, ein bestimmte Form oder ein bestimmtes Gewicht besitzt.
Spätestens seit Beginn der frühen Neuzeit, ist eine solche, alltägliche Sicht auf Farben jedoch nachhaltig in die Kritik geraten. Bis heute bestreiten viele Physiker, Neurowissenschaftler und Philosophen, dass Farben „echte“ Eigenschaften physikalischer Objekte sind. Oftmals wird stattdessen behauptet, Farben seien rein psychologische Phänomene oder bloße subjektive Empfindungen. Die physikalische Welt selbst hingegen, sei vollkommen farblos.
Es fällt schwer eine solche Sichtweise auf Farben zu akzeptieren. Wenn es stimmt, dass die Dinge, auf die wir uns in unseren Farbwahrnehmungen intentional beziehen, tatsächlich keine Farben besitzen, dann scheinen wir in jedem Moment unseres Sehens einer radikalen Täuschung zum Opfer zu fallen. Nahezu unzumutbar erscheint dies mit Blick auf das epistemische Ziel unserer visuellen Wahrnehmung: Die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Es besteht also scheinbar ein beständiger Widerspruch zwischen dem, in der Terminologie Sellars, durch unsere Alltagsbegriffe vermittelten „manifesten Weltbild“ einerseits und dem durch experimentelle Forschung gestützten „wissenschaftlichen Weltbild“ andererseits.
In diesem Spannungsfeld ist es eine Chance der Philosophie eine integrierende Funktion zu übernehmen. In dieser Absicht steht das hier skizzierte Dissertationsprojekt. Es verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Zunächst wird eine systematische Analyse jener Argumente durchgeführt, die vermeintlich Anlass zu der These geben, dass gewöhnliche, physikalische Objekte keine vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Farbe haben. Philosophen berufen sich dabei oftmals auf die große Variabilität von Farbwahrnehmungen angesichts von Faktoren, wie den herrschenden Lichtverhältnissen, der Objektumgebung oder dem Beobachtertyp. Ferner ist behauptet worden, dass eine alltagsrealistische Sicht auf Farben mit der Tatsache unvereinbar sei, dass sich die für einzelne Farben charakteristischen Ähnlichkeits- und Verschiedenheitsrelationen in einer physikalischen Beschreibung der wahrgenommenen Objekte scheinbar nicht widerspiegeln. In der Arbeit wird die These verteidigt, dass derartige Überlegungen keine überzeugenden Gründe liefern, Farben zu bloßen Einbildungen oder subjektiven Projektionen, zu subjekt-involvierende Dispositionen oder zu rein beobachterrelativen Eigenschaften zu erklären.
Ein zweites, positives Ziel der Arbeit besteht darin, eine philosophische Theorie der Farben zu entwickeln, die angibt, was alle Dinge einer Farbe miteinander gemein haben und was sie zugleich von allen Dingen einer anderen Farbe unterscheidet. Es wird hierbei gezeigt, dass sich viele Schwierigkeiten konkurrierender Farbtheorien auflösen, wenn man annimmt, dass allen Dinge eines Farbtons gemein ist, dass sie einfallendes Licht auf eine bestimmte, für die jeweilige Farbe charakteristische Art und Weise modifizieren. Wenn dies stimmt, dann muss zur Individuierung einer Farbe nicht auf farbwahrnehmende Subjekte Bezug genommen werden. Es besteht dann kein Anlass Farben aus dem Inventarium der geistesunabhängigen Realität zu streichen.

 

Kurzbiographie

Stephan Regh, geboren 1984, studierte Philosophie und Englisch an der Universität zu Köln und der Queen’s University Belfast. Im Juli 2012 schloss er das erste Staatsexamen mit Bestnote ab. Seine im Fach Philosophie verfasste Staatsarbeit ist eine Kritik des prominenten Vorwurfs, dass funktionalistische Theorien des Geistes phänomenales Bewusstsein nicht erklären können. Seit Mai 2012 arbeitet Stephan Regh am Kölner Thomas Institut unter der Leitung von Prof. Andreas Speer. Er wirkt dort u.a. an einem Forschungsprojekt zu den Arbeiten der Phänomenologin und Europapatronin Edith Stein mit und unterrichtet am Philosophischen Seminar Kurse zur Wissenschaftstheorie und Philosophie der frühen Neuzeit. Seit April 2013 ist er Stipendiat der Graduiertenschule a.r.t.e.s. Im Wintersemester 2013/14 war er im Rahmen eines durch den DAAD geförderten Forschungsaufenthalts in Kooperation mit Prof. Alex Byrne am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA. Sein Dissertationsprojekt zur Metaphysik der Farben wird betreut von Prof. Andreas Hüttemann (Philosophie), Prof. Thomas Grundmann (Philosophie) und Prof. Christiane Bongartz (Linguistik).

Kontakt: stephan.regh(at)gmail.com

 

Lehrveranstaltungen

Sommersemester 2015

Basisseminar: "Theorien der Sinneswahrnehmung", Philosophisches Institut, Heinrich Heine Universität, Düsseldorf

Sommersemester 2014

Proseminar: "John Lockes Versuch über den menschlichen Verstand ", Philosophisches Seminar, Universität zu Köln

 

Titelbild: Buntstifte (Foto: Michael Maggs) // Portraitfoto: Roman Oranski