Dissertationsprojekt von Agnes Stillger
Resistance from the ground. Art, agro-ecology and activism in Senegal (Arbeitstitel)
Erde als (künstlerisches) Material und Erdböden als Form eines Bezugssystems stehen im Fokus des Forschungsvorhabens zu zeitgenössischen künstlerischen Produktionen in Senegal. Ziel der Dissertation ist es, über die Analyse von Kunstwerken Konzepte von Mensch-Boden-Verhältnsissen in Senegal zu thematisieren. Daraus leitet sich eine Definition von Ökologie ab, die vor allem auch in Bezug zu einem internationalen Anthropozändiskurs diskutiert werden soll. Der Erdboden wird dabei nicht als ein passiver Untergrund verstanden, sondern zunächst in Ableitung von neomaterialistischen Konzepten als eine animierte Matrix von Beziehungen in einer mehr-als-menschlichen „Bodengemeinschaft“. Die Annahme der Lebendigkeit und Wirkmacht (agency) von erdigem oder erdverbundenem Material in unterschiedlichen Zuständen wie Lehm, Schlamm, Humus, Sand usw. zielen auf die Dezentrierung des Menschen und heben stattdessen Interrelationalitäten von Lebewesen untereinander und zu Materie hervor. Es ist ein zentraler Aspekt des Forschungsvorhabens lokale Episteme und kosmologische Bezüge in einen Dialog zu solchen akademischen neomaterialistischen Theorien zu setzen. Die Auswahl der den Forschungskorpus bildenden Kunstwerke erfolgte zum einen auf der Ebene der Nutzung von Erde oder erdverbundenen Stoffen als Material – in Form von Pigmenten, Keramiken und Lehmbauten - und zum anderen auf Basis der Bedeutungsebene. Erde ist ein kostbarer Rohstoff und grundlegend für die Ernährungssicherung. Durch einen Fokus auf Erde lassen sich nicht nur die Mensch-Natur-Beziehungen, sondern auch ökonomische und politische globale Ungleichgewichte thematisieren, wie sie auch in künstlerischem Aktivismus zum Ausdruck gebracht werden. Post- und dekoloniale Theorien in Form der kritischen Raumtheorie und alternative Ökologiekonzepte („dekoloniale Ökologien“) nehmen in den Werkanalysen eine wichtige Rolle ein. Der Erdboden wird mit Blick auf koloniale Vergangenheiten auch als Ort von Wissen, der Resilienz und des Protestes gelesen. Wie verhalten sich solche zeitgenössischen künstlerischen Positionen in Senegal zu den internationalen kunsthistorischen Debatten einer eco-, planetary oder auch geo-aesthetic?
Agnes Stillger studierte Vergleichende Literaturwissenschaften in Karlsruhe (Magister) und schloss 2017 an der Ludwig-Maximilians Universität in München ein Masterstudium im Fach Kunstgeschichte ab. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Kunstgeschichte Afrikas, zeitgenössische Kunst und Design Afrikas, Öko-Ästhetik und ökologiekritische Kunstpraktiken in Verbindung mit post-/dekolonialen Theorien. Zwischen 2018 und 2021 war sie am Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm des Künstlerhauses Villa Romana in Florenz zu transkulturellen Narrativen zwischen Afrika und Europa beteiligt. Sie ko-kuratierte unter anderem das künstlerische Forschungs- und Ausstellungsprojekt (2018-2020) Seeds for future memories. Voicing the two ends of migration mit der Thread Residency in Tambacounda, Senegal. Seit 2021 promoviert sie am Graduiertenkolleg „anschließen – ausschließen. Kulturelle Praktiken jenseits globaler Vernetzung“. Ihre Dissertation trägt den Arbeitstitel Resistance from the ground. Art, agro-ecology and activism in Senegal“ und wird von Prof. Dr. Nina Möntmann betreut.
Email: a.stillger[@]uni-koeln.de
Vita
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seit Oktober 2021: Doktorandin am Graduiertenkolleg „anschließen – ausschließen. Kulturelle Praktiken jenseits globaler Vernetzung“. Titel der Dissertation Resistance from the ground. Art, activism and agro-ecology in Senegal ; Fakultät für Philosophie, Universität zu Köln, Betreuerin: Prof. Dr. Nina Möntmann
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2019 / 20: Teilnehmerin der Workshop-Serie Anthropology and Contemporary Visual Arts from the Black Atlantic: between the Art Museum and the Global North der Universitäten von Dakar, Port-au-Prince und Hannover, gefördert durch die Volkswagenstiftung
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2017 Tutorin im Projekt Politische Plätze, Prof. Dr. Kerstin Pinther und Prof. Dr. Burcu Dogramaci, LMU München
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2016 - 2018: Wissenschaftliche Hilfskraft im Forschungs- und Ausstellungsprojekt Flow of Forms / Forms of Flow. Designgeschichten zwischen Afrika und Europa (Prof. Dr. Kerstin Pinther, Dipl. Des. Alexandra Weigand M.A.), LMU München
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2014 - 2017: Masterstudiengang Kunstgeschichte an der LMU München; Masterarbeit: Moderne Hotelarchitekturen in Afrika: Symbolkraft und Bildproduktion. Die Rolle internationaler Architektennetzwerke in Westafrika. Betreuerin: Prof. Dr. Kerstin Pinther
Forschungsschwerpunkte
Kunstgeschichte Afrikas, Kunst und Design Afrikas und seiner Diaspora, transkulturelle Architekturgeschichten, postkoloniale Theorie, Ökofeminismus, Ökologie und Ästhetik, post- und dekoloniale Theorien, künstlerische und kuratorische Forschungspraktiken
Vorträge
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2022: Für den Erhalt des Gleichgewichts alles Lebendigen. Ökologiekritische Kunstpraktiken in Afrika, internationales Symposium The Damaged Planet – Solidarität mit dem verletzten Planeten, Kunsthochschule für Medien (KHM), Köln (6./7.5.2022) https://www.youtube.com/watch?v=nttNd8Bqcjs
Projekte
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seit 2021: Künstlerisches Forschungs- und Ausstellungsprojekt (Mitglied des Kollektivs) Dry Ocean. Unveiling the Unknown, mit Künstler:innen aus Berlin und Dakar, u.a. gefördert von ifa Institut für Auslandsbeziehungen und Museum IFAN/Theodore Monod, Dakar
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2019: Symposium (Kuration) Transverse Trajectories. Speculative routes out of ruinous landscapes, Symposium, Villa Romana, Florenz
Ausstellungen
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2020: Ausstellung, Theater, Screening (Kuration) Intersection Tamba, Festival de l'Union in Tambacounda, Senegal
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2019 / 2020: Ausstellung und Interventionen (Ko-Kuration) Black Archive Alliance als Teil des Black History Month Florence
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2017: Ausstellung (wissenschaftliche Hilfskraft): Flow of Forms / Forms of Flow. Design Histories between Africa and Europe (kuriert von Kerstin Pinther und Alexandra Weigand), Museum Fünf Kontinente, Architekturmuseum u.a. München, 03.02.2017 - 12.03.2017