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Dissertationsprojekt von Corinna Bittner

„Erinnerungsbeziehungen von Häftlingen und Gefangenen der Emslandlager in beiden deutschen Staaten“ (Arbeitstitel)

Mein Promotionsvorhaben erforscht die Geschichte der kollektiven Erinnerungen der Überlebenden der Emslandlager nach ihrer Haft und in beiden deutschen Staaten. Zentral ist mit Blick auf die soziale und kulturelle Dimension kollektiver Erinnerungen die Frage, wie Überlebende der Emslandlager Beziehungen, Gemeinschaften, Identitäten und Repräsentationen vor dem Hintergrund der Hafterfahrung und den jeweiligen deutsch-deutschen erinnerungspolitischen Entwicklungen behaupteten und veränderten. Um zu zeigen, dass die kollektiven Erinnerungen plural, multiperspektivisch und heterogen waren, werden Figurationen der Erinnerung, also für kollektive Erinnerungen relevante Interdependenzverhältnisse und deren Prozesshaftigkeit, untersucht. In verschiedener Weise waren die Erfahrungen des Unrechts und der Gewalt für alle Überlebenden nach der Haft körperlich, psychisch und sozial prägend. Vor dem Hintergrund der Heterogenität der Häftlingsgesellschaft – neben politischen Gefangenen waren auch sozial, rassistisch, weltanschaulich, religiös Verfolgte sowie im Kontext des Krieges gefangene Personen inhaftiert – ist zu fragen, inwiefern Überlebende nach der Befreiung neue und alte Vergemeinschaftungs- und Ausgrenzungsprinzipien (re-)produzierten, wie sich Selbstbezug und Repräsentation daraus entwickelten und wie historische erinnerungs- und gesellschaftspolitische Prozesse darauf zurückwirkten. 

Einen Fluchtpunkt der Untersuchung bilden Akteure der 1955 in der BRD gegründeten „Emsland-Lagergemeinschaft Moorsoldaten“, die auch persönliche Beziehungen zu Überlebenden in der DDR pflegten. Die überwiegend kommunistischen Akteure erhoben einen Vertretungsanspruch der Gefangenen der Emslandlager und stellten Forderungen nach gesellschaftlicher Anerkennung, politischer Mitbestimmung und finanzieller Entschädigung. Vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, des Antikommunismus in der BRD, der Heroisierung der „Widerstandskämpfer“ in der DDR, den deutsch-deutschen Beziehungen und Konflikten und den Allianzen mit neuen sozialen Bewegungen ab den 1960er Jahren standen für sie Darstellungen des antifaschistischen Widerstands im Mittelpunkt. Diese Perspektivierung schloss mitunter andere „Häftlingsgruppen“ aus. Doch auch Überlebende außerhalb der Lagergemeinschaft entwickelten Darstellungen, die mitunter die Ikone des „Moorsoldaten“, das Motiv des „Moors“ und Narrative der Zwangsarbeit aufgriffen, sich aber auch unabhängig davon entwickelten. Es handelt sich bei den kollektiven Erinnerungen der Überlebenden der Emslandlager in der BRD um ein insgesamt gegenhegemoniales Phänomen, welches selbst instabile interne Hierarchien ausbildete, die mitunter übergreifenden (erinnerungs-)politischen Ausgrenzungsmechanismen entsprachen.

 

Kurzbiographie

Corinna Bittner hat ihren Bachelor in Englisch, Geschichte und Bildungswissenschaften sowie ihren Master in Neuerer und Neuester Geschichte mit dem Schwerpunkt Public History an der Universität zu Köln absolviert. Während der Bachelorphase studierte sie neun Monate an der Durham University, UK. Für ihre Masterarbeit verbrachte sie einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Kambodscha. Von 2016 bis 2021 war sie Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Habbo Knoch und freiberuflich in der Bildungsarbeit tätig. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie vom Frühjahr 2020 bis 2021 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Projekt zur digitalen Erschließung von Selbstzeugnissen aus den Emslandlagern am Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager. Seit April 2021 ist sie Doktorandin an der Universität zu Köln und Kollegiatin an der a.r.t.e.s. Graduate School of the Humanities Cologne. Von Oktober 2021 bis März 2022 ist sie als Elternzeitvertretung an der Universität zu Köln als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.

 

Publikationen

The (In-)Visibilty of Violence. An Analysis of the Khmer Rouge Discourse 1975-1979, Zeitschrift für Genozidforschung 19/1, 2021, S. 37-52.

The (Im-)Possibility of putting yourself in someone else’s shoes, Moral Iconographies, 28.06.2017, https://moralicons.hypotheses.org/157 (09.09.2021).

 

Lehrveranstaltungen

WiSe 2021/22
Antikommunismus in der BRD (Einführungsseminar)

 

Stipendien und Preise

ERASMUS-Stipendium für einen Aufenthalt an der Durham University

PROMOS-Stipendium für einen Forschungsaufenthalt in Kambodscha

Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln für die Bachelorarbeit