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Dissertationsprojekt von Corinna Bittner

„Erinnerungsbeziehungen von Häftlingen und Gefangenen der Emslandlager in beiden deutschen Staaten“ (Arbeitstitel)

In meinem Promotionsvorhaben untersuche ich kollektive Erinnerungen von Überlebenden der Emslandlager in beiden deutschen Staaten. Mit Blick auf die soziale und kulturelle Dimension kollektiver Erinnerungen frage ich, wie Überlebende der Emslandlager Beziehungen, Gemeinschaften, Identitäten und Repräsentationen vor dem Hintergrund der Hafterfahrung und den jeweiligen deutsch-deutschen erinnerungspolitischen Entwicklungen behaupteten und veränderten. Um zu zeigen, dass die kollektiven Erinnerungen plural, multiperspektivisch und heterogen waren, arbeite ich Figurationen der Erinnerung heraus. Anhand von persönlichen Zeugnissen wird sichtbar, wie die Erinnerungen in Beziehungen ausgehandelt wurden und sich über Zeit veränderten. Erstens ist nach unmittelbaren und mittelbaren Beziehungen zu Fragen. Zweitens sind erinnerungskulturelle Repräsentationen zu analysieren. Drittens ist das Verhältnis von individuellen lebensgeschichtlichen Linien, erinnerungskulturellem Handeln und übergreifenden erinnerungspolitischen Prozessen in den Blick zu nehmen.

Einen Fluchtpunkt der Untersuchung bildet die Lagergemeinschaft der Überlebenden, die 1955 in der BRD gegründet wurde und deren Hauptakteure persönliche Beziehungen zu Überlebenden in der DDR pflegten. Die dort organisierten, meist kommunistischen Überlebenden erhoben einen Vertretungsanspruch für die Gefangenen der Emslandlager und stellten Forderungen nach gesellschaftlicher Anerkennung, politischer Mitbestimmung und finanzieller Entschädigung. Eine zentrale Figur, die auch die Lagergemeinschaft zu ihrer Ikone machte, war der „Moorsoldat“. Das Moorsoldatenlied, das 1933 im Konzentrationslager Börgermoor entstand, war im Gegensatz zu den Emslandlagern bis 1945 weltbekannt geworden. Hieran knüpfte die Lagergemeinschaft an. Doch auch Überlebende jenseits der Lagergemeinschaft entwickelten Darstellungen, die den „Moorsoldaten“, das Motiv des „Moors“ und Narrative der Zwangsarbeit aufgriffen. Hieran zeigt sich exemplarisch, dass die kollektiven Erinnerungen der Überlebenden der Emslandlager in der BRD ein gegenhegemoniales Phänomen, welches selbst instabile interne Hierarchien ausbildete, die mitunter übergreifenden (erinnerungs-)politischen Ausgrenzungsmechanismen entsprachen.

Im Rahmen der Förderung durch die Mercator-Stiftung und in Kooperation mit dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte, e.V., in Köln werden auch familiäre Erinnerungspraktiken untersucht. In Interviews mit Nachkommen von Überlebenden wird sichtbar, wie die Erinnerungen an die Emslandlager in geteilte Erzählungen überführt wurden und wie sich Hafterfahrung und Erinnerungsarbeit der Überlebenden auf die Nachkommen auswirkte. Die Ergebnisse sollen in einer Wanderausstellung präsentiert werden.

 

Kurzbiographie

Corinna Bittner hat ihren Bachelor in Englisch, Geschichte und Bildungswissenschaften und ihren Master in Public History an der Universität zu Köln absolviert. Während der Bachelorphase studierte sie neun Monate an der Durham University, UK. Für ihre Masterarbeit verbrachte sie einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Kambodscha. Von 2016 bis 2021 war sie als Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Habbo Knoch und freiberuflich in der Bildungsarbeit tätig. Nach ihrem Abschluss im Frühjahr 2020 arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Projekt zur digitalen Erschließung von Selbstzeugnissen aus den Emslandlagern am Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager. Von Oktober 2021 bis März 2022 war sie als Elternzeitvertretung an der Universität zu Köln als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Im Anschluss leitete sie das DIZ Emslandlager. Seit Oktober 2022 ist sie Stipendiatin der a.r.t.e.s. Graduate School of the Humanities Cologne und der Mercator-Stiftung.

 

Publikationen

Für eine neue Geschichte von unten, in: Utopia. Die Zukünfte der Geschichtswissenschaft, L.I.S.A. Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung, 24.08.2023, online: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/visiongeschichte_bittner_doil (24.08.2023). (Zusammen mit Lukas Doil)

Tagungsbericht: Der Ort des Kommunismus in den Westeuropäischen Demokratien seit 1945, In: H-Soz-Kult, 19.06.2023, online: <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-136930> (19.06.2023). (Zusammen mit Rhena Stürmer)

The (In-)Visibilty of Violence. An Analysis of the Khmer Rouge Discourse 1975-1979, Zeitschrift für Genozidforschung 19/1, 2021, S. 37-52.

The (Im-)Possibility of putting yourself in someone else’s shoes, Moral Iconographies, 28.06.2017, online: https://moralicons.hypotheses.org/157 (09.09.2021).

 

Vorträge

 The “Peat Bog Soldiers” across borders. The inmates’ bodies in representations of the Emsland Camps, 26th Workshop on the History and Memory of National Socialist Camps and Killing Sites: “Bodies and Borders”, Łódź, 05. September 2023.

Sammlung als Begegnung. Kommunistische Überlebende und die Gedenkstättenbewegung im Emsland, 5. Hermann-Weber-Konferenz zur Historischen Kommunismusforschung: „Der Ort des Kommunismus in Westeuropäischen Demokratien seit 1945“, Berlin, 17. März 2023.

“Never again…” – Interpretations of violence by survivors of the Emsland camps between 1945 and 1960, Workshop: “Utopias of Nonviolence. Ideas, Regulations, and Blindspots in Europe since 1945”, Zürich, 01. Dezember 2022.

 

Lehrveranstaltungen

WiSe 2021/22 – Universität zu Köln
Antikommunismus in der BRD (Einführungsseminar)

 

Stipendien und Preise

ERASMUS-Stipendium für einen Aufenthalt an der Durham University

PROMOS-Stipendium für einen Forschungsaufenthalt in Kambodscha

Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln für die Bachelorarbeit

 

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