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Dissertationsprojekt von Adrian Kammerer

Eine Regel und ihre Folgen. Studien zum dominikanischen Drittorden im deutschsprachigen Raum, 15. und frühes 16. Jahrhundert (Arbeitstitel)

Das geschichtswissenschaftliche Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit einem wenig beachteten Themenfeld: Dem dominikanischen Drittorden. Bei den Predigerbrüdern kam es ausweislich der jüngsten Forschung erst spät, im Jahr 1405, zur Etablierung einer Regel für Laien und Laiinnen, die sich dem Orden anschließen, aber dennoch „in der Welt“ verbleiben wollten. Die weitere Geschichte dieser neuen Lebensform im deutschsprachigen Raum ist nur wenig erforscht; die Lücken soll die Dissertation schließen.

Der Einsatz der Regel erweist sich dabei als vielgestaltig. Ein großes Rezeptionsfeld bildeten die Beginengemeinschaften. Zahlreiche dieser informellen Frauengemeinschaften wurden in den dominikanischen Drittorden integriert. Dabei lässt sich beobachten, wie in der Regel vorgeschriebene Strukturen und Ämter an bestehende Gewohnheiten angepasst wurden. Ein erster großer Themenblock widmet sich der Vielfalt dieser Prozesse.

Aber auch in den bestehenden Klöstern und Konventen des Predigerordens kam die Dritte Regel auf vielfältige Weise zum Einsatz. Dass Terziarinnen und Terziaren auch dort Mitglied werden konnten, ist weitgehend unerforscht. Durch eine Einordnung der Tatsache, dass beispielsweise klösterliche Arbeitskräfte in den Dritten Orden eingebunden wurden, will die Dissertation Licht auf wenig erforschte Aspekte des dominikanischen Gemeinschaftslebens werfen.

Außerdem widmet sich das Dissertationsprojekt der Frage nach dem Rechtsstatus von Terziarinnen und Terziaren. Es lassen sich in den Quellen Unsicherheiten beobachten, ob Drittordensordensleute Gelübde leisten oder vielleicht doch in Klausur leben sollten. Auch Schwankungen, welcher Gerichtsbarkeit sie unterlagen, sind zu konstatieren. Bei der Erschließung solcher Diskussionen ergeben sich zahlreiche Bezugspunkte zu anderen religiösen Bewegungen des 15. Jahrhunderts.

Im Rahmen des Projektes werden neben gedruckten Quellen auch zahlreiche Inedita, wie Urkunden, Briefe und Konventslisten, herangezogen. Die wichtigsten dieser Stücke werden in einem Anhang erstmals im Volltext für die Forschung zugänglich gemacht. Hervorzuheben sind hier kaum beachtete Urkunden zu Peter von Gengenbach, einer bekannten Gestalt der Dominikanerobservanz.

Die zahlreichen Anwendungsbeispiele und über die Zeit vorgenommenen Modifikationen der neuen Drittordensregel zu diskutieren, heißt, die Bedingungen verstehen zu wollen, unter denen geistliches Gemeinschaftsleben konventionell verfasst war. In diesem Sinne bietet das ordensgeschichtliche Projekt die Chance, die im interdisziplinären Kontext zu erarbeitenden „Dynamiken der Konventionalität“ auf konkrete historische Beispiele zu beziehen.

 

Kurzbiografie

Adrian Kammerer studierte 2012–2016 im Bachelor Geschichtswissenschaft und Katholische Theologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Es folgte 2016–2018 der Master in Mittelalterstudien (mit Schwerpunkt Mittelalterliche Geschichte) an der Universität zu Köln. Die Masterarbeit zu Misogynie bei Johannes Gerson wurde mit dem Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät ausgezeichnet. Kammerer arbeitete als studentische Hilfskraft am Seminar für Mittelalterliche Geschichte Tübingen sowie beim DFG-Projekt Corpus Inscriptorum Vitebergense. Nach dem Studium war er als wissenschaftliche Hilfskraft am Historischen Institut Köln tätig, bis er im April 2019 eine Promotionsstelle im Graduiertenkolleg 2212 „Dynamiken der Konventionalität, 400–1550“ antrat. Das Dissertationsprojekt wird unter der Erstbetreuung von Prof. Dr. Sabine von Heusinger angefertigt.

Kontakt: adrian.kammerer(at)uni-koeln.de

 

Publikationen

Rezension zu: Anne Huijbers, Zealots for Souls. Dominican Narratives of Self-Understanding during Observant Reforms, c. 1388–1517 ( Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens NF 22), Berlin / Boston 2018, in: QFIAB 100 (2020), S. 702–703.

Tagungsbericht: THE WALL: Der Mensch im Schatten der Mauer, 28. 11. 2019—29. 11. 2019, in: H-Soz-Kult, 11.02.2020.

„Ein weltliches Trennungsurteil durch den Kaiser? Überlegungen zum Tiroler Eheskandal“, in: Tiroler Heimat. Zeitschrift für Regional- und Kulturgeschichte Nord-, Ost- und Südtirols, 82, 2018, S. 123–169.

 

Vorträge

„Gender and the Spread of the Dominican Third Order“, 12. Dezember 2019, Cologne-Toronto Graduate Student Colloquium 2019, Universität zu Köln

„Neues zur Geschichte des dominikanischen Drittordens“, 21. Oktober 2019, Oberseminar „Neue Forschungen zur Mittelalterlichen Geschichte“, Universität zu Köln

„Geschlechterdiskurse am Werk? Gender und die Ausbreitung des dominikanischen Drittordens“, 6. Juli 2019, Genderdiskurse in Bettelorden. Ein interdisziplinärer Workshop, Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

„Frauengemeinschaften und die Annahme der dominikanischen Drittordensregel in der Teutonia“, 8. Februar 2019, Workshop Dominikanerstudien 2019, Dominikanerkonvent Hl. Kreuz Köln

 

Auszeichnungen

2019: Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln für seine Masterarbeit zu Misogynie bei Johannes Gerson

 

Titelbild: Beginn einer deutschsprachigen Übersetzung der Drittordensregel, 1483, Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms 1548, f. 121 v, Credit: Public Domain Mark 1.0 // Portraitfoto: Patric Fouad