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Doctoral dissertation project of Sophie Kühnlenz

Das Marie-Curie-Phänomen. Industrie- und Technikmuseen in geschlechterhistorischer Perspektive (working title)

Technik- und Industriemuseen sind aus geschlechterhistorischer Perspektive spannende Untersuchungsgegenstände. Sie sind für männliche Besucher attraktiver, bezeugen mittels Sammlung und Ausstellung männlich konnotierten technischen Fortschritt, stellen Geschichte(n) aus und Gegenwart mit her. Gerade ein Blick auf Geschlechterbilder, Ein- und Ausschlüsse, sichtbare und unsichtbare Arbeit, auf Museen als Orte feministischer Kritik und Vernetzung, bietet spannende Ansatzpunkte, um Museumspraxen als kontingent, kontextabhängig und eingebunden in gesellschaftliche Machtverhältnisse zu analysieren. Der Untersuchungszeitraum von den 1990er Jahren bis heute trägt dabei Museen als historischen, wandelbaren Institutionen Rechnung, die zu verschie­denen Zeitpunkten unterschiedlich mit der Kategorie Geschlecht umgehen.

Einerseits verknüpfen sowohl Industrie- als auch Technikmuseen, trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze und Geschichte, scheinbar selbstverständlich (produktive) Arbeit, technischen Fortschritt und Konzepte von Männlichkeit und sind damit vielfältig anschlussfähig für Genderfragen. Andererseits sehen sich Museen als öffentliche Einrichtungen immer wieder mit der Forderung konfrontiert, dass sich die Diversität der Gesellschaft (nicht nur in Bezug auf Geschlecht) in Sammlung und Ausstellung widerspiegeln soll, nicht zuletzt um für ein breit gefächertes Publikum auch in Zukunft relevant zu bleiben. In meiner Arbeit nähere ich mich Museen daher aus drei Richtungen: Auf der institutionellen Ebene frage ich nach den politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen, die die Arbeit des Museums rahmen. Auf der Ebene der Akteur:innen stehen Personalstrukturen, interne und externe Netzwerke, individuelle Einflusssphären und Interessen im Mittelpunkt. Auf der inhaltlichen Ebene analysiere ich ausgewählte Ausstellungen und Displays, ordne Veränderungen in der Sammlungsstrategie ein und untersuche die Rolle von Vermittlungsangeboten.

Als Fallbeispiele dienen vier Industrie- und Technikmuseen im deutschsprachigen Raum: das Deutsche Technikmuseum Berlin, das Museum der Arbeit Hamburg, das Technische Museum Wien und das Industriemuseum Chemnitz. Unter welchen Bedingungen diskutieren und verändern diese Museen ihren Umgang mit Geschlecht als Differenzkategorie? Kann eine Haushaltssammlung traditionelle Geschlechterbilder aufbrechen? Was sagen „Frauenecken“ in den Ausstellungen über die Relevanz der Kategorie Geschlecht aus? Wird „produktive“ Arbeit im Verhältnis zu reproduktiven Tätigkeiten thematisiert? Wo bekommt die Gleichung Mensch gleich Mann Brüche im Narrativ über männliche Erfinder und weibliche Nutzerinnen? Sorgen herausragende Wissenschaftlerinnen wie Marie Skłodowska Curie in der Ausstellung lediglich dafür, dass Frauen als Ausnahme von der (männlichen) Regel wahrgenommen werden? Was bewirkt die Kategorisierung von Sammlungsobjekten nach Geschlecht? Werden Geschlechterstereotype und -hierarchien in Sammlung und Ausstellung kritisch hinterfragt?

Angelehnt an die drei Felder der Science & Technology Studies Gender in Science – Science of Gender – Gender of Science analysiere ich in vier Fallstudien Repräsentationen von Arbeit und Geschlecht und den Wandel von Geschlechterkonstruktionen in der musealen Wissensproduktion. Ziel ist es, Museen als komplexe, von der Kategorie Geschlecht durchdrungene Institutionen zu analysieren, dessen hegemonial-männliches Masternarrativ in Sammlung, Ausstellung und Vermittlung in unterschiedlichen zeit-räumlichen Konstellationen sicht- und veränderbar wird. Welche Rolle die institutionellen Rahmenbedingungen, die Museumsakteur:innen und die inhaltlich-strategische Ebene im Wandel eines musealen doing gender spielen, steht im Mittelpunkt der Arbeit.

 

Short biography

Sophie Kühnlenz is a public historian and doctoral candidate at a.r.t.e.s. In her research she focuses on gendered knowledge production in museums of industry and technology. Since 1 April 2019 she is a research fellow in the EU-funded Marie Curie program of the a.r.t.e.s Graduate School. Her dissertation is supervised by Prof. Dr. Christine Gundermann (Department of Didactics of History / Public History, University of Cologne) and Prof. Dr. David Dean (Department of History, Carleton University, Ottawa). 

She studied History, Peace and Conflict studies and Biology in Siegen and Marburg and obtained her Master‘s Degree in Public History at Free University Berlin in 2018.  During her studies, she received a scholarship by the Hans-Böckler-Stiftung and gained academic and practical museum experience at the Center for Contemporary Historical Research (ZZF) Potsdam, the German Historical Museum (DHM) Berlin, and the Wende Museum of the Cold War Los Angeles, among others. For her Master thesis she conducted field research at the Canadian Museum for Human Rights Winnipeg (CMHR) and at the Museum of Vancouver (MOV) in 2017. Sophie is co-founder and speaker for students and young professionals (SYP) in the working group on applied history / public history (AGAG) of the German Historical Association (VHD) and a member of the International Federation for Public History (IFPH). 

 

Contact: sophie.kuehnlenz(at)uni-erfurt.de

 

Publications (selection)

TURN it upside down, Blogbeitrag in: A bis Z des Kuratierens. Ein unvollständiger Bericht aus der Praxis in drei Teilen // Drittens: F – I – O – Q – R – T – U – Z, in: „Wie Wissen ausstellen?" Blog des Forschungskollegs Wissen | Ausstellen, 22. Dez. 2020 ( https://blog.stud.uni-goettingen.de/wiewissenausstellen/2020/12/22/a-bis-z-des-kuratierens-ein-unvollstaendiger-bericht-aus-der-praxis-in-drei-teilen-drittens-f-i-o-q-r-t-u-z/ )

Rezension zu: Spanka, Lisa: Vergegenwärtigungen von Geschlecht und Nation im Museum. Das Deutsche Historische Museum und das Dänische Nationalmuseum im Vergleich. Bielefeld 2019, In: H-Soz-Kult, 26.05.2020, (www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28048).

Rezension zu: Portal Gewerkschaftsgeschichte, in: H-Soz-Kult, 26.10.2019, (www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-186).

Female revolutionaries. Women and the Russian Revolutions in 1917, in: Klara Schwalbe, Matej Samide, Nicole Hanisch, Miriam Eisleb (Hrsg.): How Communism Shaped Our World - A collection of essays at the 100th Anniversary of the October Revolution, Berlin 2018, S. 41-46.

„Der umkämpfte Krieg“ - Zur (Un-)Vereinbarkeit von Geschichte und Politik. Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig, in: Der Westpreuße 4/2018, S. 21f.

„Wir Kinder vom Busbahnhof“, Steinewerfer, „Surfin‘ Gaza“ und schwarze Wassertanks auf Häusern. Der israelisch-palästinensische Konflikt im Blick des Fotojournalismus. Workshop-Bericht auf Visual History (ZZF), veröffentlicht am 03.01.2017 (https://www.visual-history.de/2017/01/03/wir-kinder-vom-busbahnhof-steinewerfer-surfin-gaza-und-schwarze-wassertanks-auf-haeusern/).

„Guten Tag, ich bin der Klassenfeind“. Foto-Bestand von Klaus Mehner bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Beitrag auf Visual History (ZZF), veröffentlicht am 29.11.2016 (https://www.visual-history.de/2016/11/28/guten-tag-ich-bin-der-klassenfeind/).

Schwerpunktbeitrag „Aufstand der Perversen“ in: Invertito Jg. 16 (2014) – Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, Hrsg. Fachverband Homosexualität und Geschichte e.V., Männerschwarm Verlag Hamburg 2014, S. 125-152.

Institut für Sexualwissenschaft, in: Audiotour zu Homosexualität_en (2015), Gemeinsame Ausstellung Schwules Museum* und Deutsches Historisches Museum Berlin, Ko-Autorin und Sprecherin (http://queerhistory.de/2019/06/03/audiotour-zu-homosexualitaet_en/).

Die verkannte Katastrophe. Die Rolle der Spanischen Grippe in der Nachkriegszeit 1918/19, in: Pharos. Historische Randnotizen: Katastrophen (2/2012), S. 37–41.

 

Presentations (selection)

Geschichte für alle: How to pimp Technikmuseen - Diverser ist spannender, Interview mit Deutschlandfunk Nova am 30. Januar 2021 (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/geschichte-fuer-alle-diversere-museen-sind-spannender )

„«Wenn die Arbeit ausgeht, kommt sie ins Museum». Vom Arbeitsplatz Kind, Malochern und einer Haushaltssammlung": arbeitsam arbeits/arm in Geschlechterverhältnissen (ca. 1680 - 2000), 14. Workshop des Arbeitsschwerpunktes Frauen- und Geschlechtergeschichte, Universität Wien, 5. - 6. November 2020 ( https://workshop-fsp-fgg2020.univie.ac.at/programm/ )

„Feminist museums? Collecting and exhibiting women’s emancipation in a feminist way": Archiving, Recording and Representing Feminism: The Global History of Women’s Emancipation in the 20th Century, Second Meeting of the International Standing Working Group on Medialization and Empowerment, German Historical Institute London, 10-12 December 2020 ( https://ghil.hypotheses.org/330 )

“Breaking out of the heteronormative box. Museum collections as gatekeepers for diverse gender knowledge?” Montreal Central European Studies Workshop, McGill University Montreal, March 2020.

„Doing gender im Museum: Zur (Re-)Konstruktion von Geschlechterrollen in Geschichtsausstellungen“ Vortrag Kolloquium für Neuere und Neueste Geschichte, Historisches Institut Universität zu Köln, October 2019.

„(Un-)doing gender in history museums“ a.r.t.e.s. Kolloquium 2019, a.r.t.e.s. Graduate School University of Cologne, July 2019.

„Are historical fights for gender equality part of contemporary museum narratives?“, 4th Public History Conference of the International Federation for Public History (IFPH), Ravenna, Italy, June 2017.

„‚We called for workers- human beings are coming’ - The exhibition ‘Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland’ at the German Historical Museum and its perspectives on migration to Germany“, ISHA New Year‘s Seminar, Budapest, Hungary, January 2017.

„‚Aufstand der Perversen‘. Zur Rezeption von Rosa von Praunheims ‚Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt‘ in Medienberichten der Bundesrepublik Deutschland“, 3rd Student Symposium of History at the University of Bamberg on "Scandals!“, Bamberg, January 2016.

„‚Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt‘“, Poster presentation at the 1st LSBTIQ*- Science Congress of the Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Berlin, November 2013

 

Organised events

„Wer? Macht? Medien?“ Co-Organization „Fachcluster Medien“ of the Hans-Böckler-Foundation, Berlin, December 2016.

"Historians @ work", Co-organization of the Autumn Seminar of the International Students of History Association (ISHA) Berlin, Humboldt Universität Berlin; Co-organizer of the workshop "Teaching: Didactics of Memory - Public History and the Role of Historians and Teachers" in cooperation with the Anne Frank Zentrum Berlin, September 2016.

 

Cover photo: © Sir James, CC BY-SA 2.0 DE, Wikimedia Commons // Portrait photo: Patric Fouad


a.r.t.e.s. EUmanities has received funding from the European Union's Horizon 2020 research and innovation programme under the Marie Skłodowska-Curie grant agreement No 713600.

Details:
Call: H2020-MSCA-COFUND-2015 | Proposal: 713600 – artes EUmanities
CORDIS: http://cordis.europa.eu/project/rcn/203182_de.html