Dissertationsprojekt von Thea Fiegenbaum
Waisen- und Findelkinder in Köln zwischen 1750 und 1850 (Arbeitstitel)
Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert stellte die Versorgung armer, kranker oder alter Menschen eine der wichtigsten Aufgaben und zugleich eine der größten Herausforderungen für viele Städte dar. Zu den Bedürftigen zählten in besonderem Maße die Waisen- und Findelkinder. Sie galten von alters her als Inbegriff der unverschuldet in Not Geratenen und bedurften damit eines besonderen Schutzes. Im Topos der „Witwen und Waisen“ wurden sie in unterschiedlichsten Kontexten thematisiert. Mein Dissertationsprojekt nimmt die auf öffentliche Unterstützung angewiesenen Kinder der Stadt Köln in den Blick und erforscht verschiedene Aspekte ihres täglichen Lebens. Zentrale Fragen sind: Wer gehörte zu dieser heterogenen Gruppe der verlassenen Kinder und aus welchen Gründen konnten sie nicht mehr in ihren Familien leben? Wo wurden die Kinder in Köln untergebracht, wie wurden sie versorgt und erzogen? Welcher Stellenwert kam ihnen im Fürsorgesystem der Stadt Köln zu und inwiefern entwickelten sich die Fürsorgemaßnahmen in dieser Zeit weiter? Ferner wird untersucht, inwieweit nicht nur die städtische Obrigkeit, sondern auch die Kölner Einwohnerschaft Verantwortung für die Kinder übernahm.
Die Grundlage der Untersuchung bilden umfangreiche, großteils unveröffentlichte und bisher wenig erforschte Quellenkorpora, die im Historischen Archiv der Stadt Köln überliefert sind. Besonders relevant sind die Bestände der Armenverwaltung, des Schulamts, der Französischen Verwaltung sowie das normative Schriftgut der Stadt Köln. Die Heterogenität der Quellen ermöglicht es, Einzelschicksale der betroffenen Kinder zu beleuchten und Aspekte ihres Alltags in den Fokus der Untersuchung zu rücken. Dabei werden größere Themenbereiche wie Kindheit und Familie, Erziehung und Bildung sowie Geschlecht und Ungleichheit berührt.
Die Stadt Köln in der Frühen Neuzeit rückte als Untersuchungsgegenstand schon vielfach in den Blick der historischen Forschung. Gerade in den 1980er und 1990er Jahren entstanden Arbeiten zur Armut, Bedürftigkeit und zu den sogenannten Unterschichten bzw. Randgruppen in Köln. Die Situation der verlassenen Kinder und die Einrichtung des städtischen Waisenhauses wurden allerdings bisher, wenn überhaupt, nur peripher berücksichtigt. Mein Dissertationsprojekt legt erstmals eine umfassende und systematische Untersuchung zu diesem Thema vor. Es leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Geschichte der Stadt Köln in Zeiten politischer Umbrüche, sondern auch zu aktuellen Forschungen der interdisziplinär ausgerichteten Kindheitsgeschichte.
Kurzbiographie
Thea Fiegenbaum, geboren 1990, studierte Geschichte, Mittelalterstudien und Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld und der Universität zu Köln. Während ihres Studiums arbeitete sie als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft und Tutorin an verschiedenen Lehrstühlen und bei der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne. Darüber hinaus nahm sie am Research Master-Programm von a.r.t.e.s. teil. Von Oktober 2017 bis März 2018 wurde ihr Dissertationsprojekt durch das Stipendium zur Promotionsvorbereitung bei a.r.t.e.s. gefördert. Seit April 2018 ist sie Stipendiatin im Integrated Track der a.r.t.e.s. Graduate School. Ihr Projekt wird von Prof. Dr. Gudrun Gersmann und Prof. Dr. Elke Kleinau betreut.
Kontakt: tfiegenb(at)smail.uni-koeln.de
Profil auf der Website des Historischen Instituts, Universität zu Köln
Publikationen (in Auswahl)
Rezension zu „Bürger im Spiegelbild der Armut. Armenwesen und Armenfürsorge in den Städten Köln und Ōsaka im Vergleich”. Von Hideto Hiramatsu, in: Rheinische Geschichte – wissenschaftlich bloggen, 18.03.2019 (http://histrhen.landesgeschichte.eu/2019/03/buerger-im-spiegelbild-der-armut/).
„… ist ein erst gebohrnes Kind auf dem Domhof an der untersten Thür der Domkirche gefunden worden…“. Die Auffindung von Findelkindern in Köln um 1800, in: Geschichte in Köln 65 (2018).
Kölns verlassene Kinder. Eine Untersuchung zur Stadt Köln in der Frühen Neuzeit, in: Rheinische Geschichte – wissenschaftlich bloggen, 28.11.2018 (http://histrhen.landesgeschichte.eu/2018/11/koelns-verlassene-kinder/).
Tagungsbericht: Gender(ed) Histories of Health, Healing and the Body, 1250–1550 (mit Markus Jansen), 25./26. Januar 2018 in Köln, in: H-Soz-Kult, 20.03.2018 (https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7618).
Vorträge (in Auswahl)
„(Kölner) Stadtgeschichte: Wer schreibt wie was – und warum?“ 05.12.2018: Master- und DoktorandInnenkolloquium “Frühe Neuzeit“, Historisches Institut, Universität zu Köln
„Waisen- und Findelkinder in Köln zwischen 1750 und 1850“ (Projektvorstellung) 16.07.2018: Oberseminar „Kollektiv- und Individualbiographien. Theoretische Grundsätze und methodische Ansätze“, Historisches Institut, Universität zu Köln
„Waisen- und Findelkinder in Köln zwischen 1750 und 1850“ (Projektvorstellung) 08.06.2018: Kosmos Köln. Stadtgeschichte in den Geschichtswissenschaften der Vormoderne, Workshop, Greven-Haus, Köln
Titelbild: Grundriss des Kölner Waisen- und Findlingshauses von 1777, Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7101 (Plankammer), P 253/2 // Portraitfoto: Patric Fouad