Dissertationsprojekt von Felix Zimmermann
Atmosphärisches Vergangenheitserleben im Digitalen Spiel (Arbeitstitel)
Digitale Spiele sind ästhetisches Medium einer erlebnisorientierten Geschichtskultur und stehen als solches im Spannungsfeld anderer ästhetischer Medien, die sich einem solchen Zugang zur Vergangenheit verschrieben haben, darunter Living History-Formate, Geschichtstourimus oder Themenparks. In meinem Dissertationsprojekt ist mir daran gelegen, die Position des Digitalen Spiels in diesem Kontext zu bestimmen bzw. Verbindungslinien zwischen den verschiedenen ästhetischen Medien dieses Vergangenheitserlebens zu ziehen. Der Fokus liegt dabei auf dem von mir entwickelten Konzept der Vergangenheitsatmosphären, die ich als zentralen Untersuchungsgegenstand einer erlebnisorientierten Geschichtskultur identifiziere. Diese Vergangenheitsatmosphären, die sich auch in anderen Erlebnisformaten zeigen, haben nun bisher keine Aufmerksamkeit in der geschichtswissenschaftlichen Digitalspielforschung erfahren. Ich möchte somit eine klaffende Forschungslücke in einem Forschungsbereich schließen, der noch allzu sehr an narratologischen und ludologischen Erklärungsmustern festhält und beispielsweise phänomenologische Zugänge unbeachtet lässt.
Das Digitale Spiel ist, so möchte ich herausarbeiten, besonders gut als Medium des Vergangenheitserlebens auf Basis von Vergangenheitsatmosphären geeignet, weswegen diese Atmosphären ein zentrales Merkmal und ein Hauptgrund für den Erfolg von vergangenheitsbezogenen Spielereihen wie ASSASSIN’S CREED oder ANNO sind. Zum besseren Verständnis der Entstehungszusammenhänge dieser Vergangenheitsatmosphären gilt es nun, sich denen zuzuwenden, die diese Digitalen Spiele herstellen. Während die Geschichtswissenschaft noch allzu häufig nur von Entwickler*innen spricht und damit Game Designer*innen, Artists, Level Designer*innen, Writer und Programmierer*innen reduktionistisch zu einer homogenen Handlungseinheit verschmilzt, möchte ich gerade die unterschiedlichen Einflüsse dieser Gruppen auf die dargebotenen Vergangenheitsatmosphären herausarbeiten. Diese Atmosphären entstehen damit auch unter Erfordernissen und Zwängen gewinnorientierter Unternehmen, deren Zielsetzungen mit reflektiert werden müssen. So möchte ich unter anderem argumentieren, dass Vergangenheitsatmosphären zur Befriedigung von Authentizitätserwartungen genutzt werden und damit ein wichtiger Erfolgsfaktor Digitaler Spiele sein können, der auch bewusst von Spieler*innen eingefordert wird.
Damit schließt mein Projekt neben dem beschriebenen produktionsästhetischen Zugang auch einen rezeptionsästhetischen ein, der sich unter anderem auf Spieler*innenrezensionen zu ausgewählten Spielen stützen wird. Außerdem liegt es im Untersuchungshorizont meiner Arbeit, am Objekt selbst, also am Digitalen Spiel, die sich offenbarenden Vergangenheitsatmosphären auseinanderzudividieren. Diese Atmosphären entstehen demnach aus bestimmten Konstellationen von Objekten, Lichtstimmungen, Sounds, Musiken, Handlungsoptionen und ähnlichem heraus, die von den obengenannten Akteur*innen der Spielentwicklung hergestellt werden. Diese Konstellationen sollen sichtbar und deren Spezifika beschreibbar gemacht werden. Schlussendlich wird meine Dissertation damit ein spezifisches Vokabular und eine spezifische Methodik liefern, die sowohl produktions- wie rezeptionsästhetisch begründet ist und es erstmals ermöglichen wird, Vergangenheitsatmosphären im Digitalen Spielen adäquat zu beschreiben. Nur so wird es möglich, Digitale Spiele als ästhetisches Medium einer erlebnisorientierten Geschichtskultur verstehen und bewerten zu können.
Kurzbiografie
Felix Zimmermann wurde 1993 in Mönchengladbach geboren. 2018 schloss er sein Masterstudium der Public History an der Universität zu Köln ab. Zuvor hatte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Geschichtswissenschaft und Kommunikationswissenschaft im Bachelor studiert. Er ist Mitglied des Leitungsgremiums des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele und forscht zu Digitalen Spielen als Medien erlebnisorientierter Geschichtskulturen, zu non-funktionalen und atmosphärischen Räumen in Digitalen Spielen und zu Darstellungen des Holocaust und anderer nationalsozialistischer Verbrechen in der Populärkultur. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit tritt er auch als Beobachter und Kommentator der deutschen Digitalspielbranche auf und veröffentlicht seit 2012 journalistische Beiträge zu Themen der Digitalspielkultur. Von 2013 bis 2015 war er beim Campusradio Radio Q in Münster aktiv und wurde 2015 mit dem Campusradiopreis der Landesanstalt für Medien NRW ausgezeichnet. Von Oktober 2013 bis September 2018 war er außerdem in verschiedenen Funktionen beim Kulturradio WDR 3 tätig. Seit Anfang 2017 ist er ehrenamtlicher Geschäftsführer des Vereins Radio Jazz Research.
Kontakt
Mail: kontakt(at)felix-zimmermann.net
Twitter: @Felix_Felixson
Website: felix-zimmermann.net
Publikationen (Auswahl)
(Vollständige Publikationsliste unter felix-zimmermann.net/de/referenzen)
(Not) Made in Germany? Annäherungen an die deutsche Digitalspielbranche, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Juli 2019 [im Druck].
Mit Christian Huberts: From Walking Simulator to Ambience Action Game – A philosophical approach to a misunderstood genre, in: Press Start Journal, Juli–August 2019 [im Erscheinen].
Digitale Spiele als historische Erlebnisräume: Ein Zugang zu Vergangenheitsatmosphären im Explorative Game, Glücksstadt: Verlag Werner Hülsbusch 2019.
Scavenger, ik hör dir trappsen. Waldspaziergang auf Khorinis, in: WASD 15 (Ästhetik und Computerspiele), 2019, S.96–107.
Josef Köstlbauer / Eugen Pfister / Tobias Winnerling / Felix Zimmermann (Hg.), Weltmaschinen. Digitale Spiele als globalgeschichtliches Phänomen, Wien: Mandelbaum 2018.
Vorträge
A Walk in the Park: How Ambience Action Games came to be and what they can teach us about Video Game Spaces, 16.05.2019, Konferenz „Playing the Field II. Video Games, American Studies, Space“, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI), Universität Duisburg-Essen.
Feels Right – How Atmospheres of the Past Satisfy Expectations of Authenticity, 18.03.2019, Workshop „Architectonics of Game Worlds – On Aesthetics and Mechanics, Spaces and Places, Rhythms and Philosophies“, Universität zu Köln.
Digitale Spiele als historische Erlebnisräume, 23.01.2018, Ringvorlesung „Über das Heilsversprechen des Echten. Authentizität als Kernbegriff geschichtskultureller Forschung“, Universität zu Köln.
„Vom Lebensweg des Jazz“ (1956) – DDR-Kulturpolitik im Spiegel eines DEFA-Dokumentarfilms, 26.10.2017, 32. Radio Jazz Research-Tagung: „Eisgekühlter Hot – Jazz in den Medien der 1950er Jahre“, Universität Mannheim.
Auszeichnungen
2015: LfM-Campusradiopreis in der Kategorie „Crossmediale Berichterstattung“ mit dem Digitalspielmagazin Konsole für das Campusradio der Universität Münster, Radio Q
Titelbild: Stadtpanorama im Spiel Anno 1800 (Ubisoft 2019) (Credit: Eigener Screenshot, Felix Zimmermann; Rechte an Anno 1800 liegen bei Ubisoft)