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Dissertationsprojekt von Lena Johann

Alfred Döblins Essayismus (1919 – 1933) (Arbeitstitel)

Neben seiner Arbeit als Romanschriftsteller und als Arzt räumte Alfred Döblin (1878 – 1957) dem essayistischen Schreiben in seiner Produktion viel Raum ein. Trotzdem tendiert die Forschung dazu, Döblins essayistische Texte als Vorarbeiten zu lesen oder reduziert sie auf eine Kommentarfunktion hinsichtlich der Romane. Diese werkinterne Hierarchisierung erscheint angesichts des mehrfach belegten Selbstverständnisses Döblins als Essayist und der schieren Fülle an essayistischen Texten nicht nachvollziehbar. Sich von diesem Urteil abgrenzend, stellt das Projekt Döblins kleinformatiges Werk in den Mittelpunkt der Untersuchung und will über eine flüchtige Etikettierung hinaus der Frage nachgehen, was ‚essayistisches Schreiben‘ bei Döblin eigentlich bedeutet. Im Zuge dessen wird sich kritisch damit auseinandergesetzt, wie essayistische Texte überhaupt interpretierbar sind. Versuche, den Begriffskomplex Essay – Essayistik – Essayismus zu deuten und anhand theoretischer Konzepte begreifbar zu machen, werden hinsichtlich ihrer Aktualität und Anwendbarkeit überprüft und gegebenenfalls problematisiert. Es stellt sich die Frage, ob auf Basis allgemein formulierter Konzepte ein autorspezifischer Essay/ismus-Begriff ermittelt werden kann oder dies auf anderem Weg geschehen muss.

Die Erschließung der essayistischen Texte Döblins stellt das zentrale Anliegen des Projekts dar. Essayismus, zunächst als eine dem Schreiben vorstehende und zugleich innewohnende (Geistes-)Haltung verstanden, ist hierbei aus den essayistischen Texten des Autors herzuleiten. Häufig auf Aspekte des kulturellen und künstlerischen Lebens in Berlin, das politische Tagesgeschehen sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformationsprozesse bezugnehmend, legen sie Zeugnis von Döblins Auseinandersetzung mit seiner Gegenwart ab. Mit Fokus auf kunst-, kultur- und gesellschaftskritische Texte der Jahre 1919 – 1933 ist es Ziel des Projekts, Döblins Essayismus, wie er sich in dieser Phase der Moderne gerierte, zu erfassen. Die Textanalyse konzentriert sich dabei u.a. auf Aspekte der Poetik, der Textfunktion und des Textmediums, literarisch verarbeiteten Themen sowie Rezeption und Wirkung. Döblins essayistisches Schreiben speist sich aus seiner erlebten urbanen Umgebung und bezieht sich in kritischer Weise permanent auf das, was das komplexe Phänomen der Moderne, insbesondere nach 1900, mit all seinen ästhetischen, kulturellen, politischen, gesellschaftlichen Implikationen auszeichnet. Es ist somit von einem Essayismus der Moderne, womöglich angesichts Döblins ständiger Thematisierung ‚seiner‘ Metropole, von einem Berliner Essayismus zu sprechen. Die tradierte Setzung Döblins als moderner Autor schlechthin ist dabei ebenso zu berücksichtigen und hinsichtlich seiner essayistischen Texte zu prüfen, wie basal ansetzende Überlegungen zur Bedeutung des Moderne-Begriffs in all seiner Fülle.

 

Kurzbiografie

Lena Johann, geboren 1990, studierte Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Neuere deutsche Literatur sowie Europäische Ethnologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Freien Universität Berlin. 2017 schloss sie ihr Studium mit einer Arbeit zu Alfred Döblins Beitrag zur Sexualdebatte um 1900 ab. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Literatur um 1800, Klassische Moderne und Gegenwartsliteratur. Dabei arbeitet sie vorrangig zu Geschlecht und Literatur, literarischen Darstellungen von Gewalt und Macht sowie Identitätskonzepten. Begleitend war sie im Bereich der außeruniversitären Wissensvermittlung, im Verlagswesen sowie im Literaturbetrieb tätig, zuletzt u.a. beim internationalen literaturfestival berlin. Seit 2018 ist Lena Johann Kollegiatin der a.r.t.e.s. Graduate School und seit 2019 Stipendiatin der Stiftung Bildung und Wissenschaft. Ihre Dissertation wird von Prof. Dr. Manuela Günter (Universität Köln) betreut.

Kontakt: lena.johann(at)uni-koeln.de

 

Publikationen

Standort und Aufgabe der Intellektuellen nach Döblin – Wissen und Verändern 1931 und heute, in: Joanna Godlewicz-Adamiec und Tomasz Szybisty (Hg.): Literatur und Politik (Literatura – Konteksty, Bd. 4), Warschau [erscheint 2020].

Gemeinsam mit Theresa Mattusch (Hgg.): Reading the Currents. Stories from the 21st Century Sea. Ein Projekt des internationalen literaturfestivals berlin, 06.–16.09.2017. Berlin 2018.

 

Vorträge

„Alfred Döblins Essayismus (1919–1933). Bemerkungen zur Forschungslage mit Blick auf das feuilletonistische Werk“, 07.11.2019, Internationale Konferenz „Alfred Döblin und Robert Musil – Essayismus, Eros und Erkenntnis“, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung Klagenfurt.

„Döblins Wissen und Verändern (1931) – Erkenntniswert für die Gegenwart“, 07.04.2019, Internationale Konferenz „Literatur und Politik“, Pädagogische Universität Krakau.

 

Titelbild: Potsdamer Platz in Berlin, 1930. Rechte: Bundesarchiv, Bild 146-1998-012-36A / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_146-1998-012-36A,_Potsdamer_Platz.jpg // Profilbild: Patric Fouad

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