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Katharina Monz ist seit April 2018 Fellow im EU-geförderten Programm „a.r.t.e.s. EUmanities an der a.r.t.e.s. Graduate School. Bereits im Verlauf ihres Masterstudiums in Afrikanistik und Französisch an der Universität zu Köln legte sie ihren Forschungsschwerpunkt auf Fragen von Sprachwandel und Sprachwahl im frankophonen Westafrika. In Ihrem Promotionsprojekt, in dessen Rahmen sie einen 18-monatigen Forschungsaufenthalt in Mali und weiteren Ländern Westafrikas verbracht hat, untersucht sie das sprachliche Verhalten von Personen im Westafrikanischen Raum, die aufgrund ihrer Mobilität marginalisiert sind. Wir wollten von Katharina Monz dieses Mal wissen, wie die Corona-Pandemie ihren Forschungsaufenthalt beeinflusst hat.

Profilseite von Katharina Monz

 

1. Als Fellow im a.r.t.e.s. EUmanities-Programm hast du bis August 2020 einen Forschungsaufenthalt in Mali und anderen Ländern Westafrikas absolviert. Die letzten Monate fielen damit auch in das Pandemiegeschehen. Uns würde interessieren, wie du die Anfänge der Pandemie außerhalb von Europa und im westafrikanischen Kontext erlebt hast.

Den Beginn der Pandemie habe ich online verfolgt; über die Berichterstattung europäischer Zeitungen. Es kam mir surreal vor zu lesen, wie in Europa das Chaos ausbrach, während bei uns zunächst alles seinen normalen Lauf ging. Tatsächlich wirkte die schnelle Schließung vieler westafrikanischer Grenzen und Flughäfen, besonders verglichen mit der langsamen Reaktion europäischer Länder, im ersten Moment fast schon aktivistisch. Aber mit jeder Woche, die wir in Mali weitestgehend uneingeschränkt weiterlebten, spitzte sich die Lage auf dem europäischen Kontinent weiter zu und ich war ehrlich gesagt froh, dass ich meinen Aufenthalt in Mali fortsetzen konnte.

 

2. Mali steht vor großen Herausforderungen, die durch die fragile politische Lage und einen schwelenden kriegerischen Konflikt im Norden des Landes erschwert werden. Welche Bedeutung messen die Menschen vor diesem Hintergrund der Bedrohung durch das Virus bei?

In Bamako, wo ich selbst auch wohnte, war die Pandemie weit weg. Die Menschen haben akutere Probleme, von denen die Konflikte im Zentrum und im Norden des Landes nicht einmal das größte Gewicht haben. Die Regierung stand schon seit Monaten ob diverser Entscheidungen und offensichtlicher Korruption in steigender Kritik. Religiöse und kulturelle Würdenträger schalteten sich in Debatten zwischen politischen Eliten, malischem und internationalem Militär und der Zivilbevölkerung ein und machten die Gemengelager noch unübersichtlicher. Vor diesem Hintergrund verschwenden besonders die, die heute nicht wissen, ob und was sie morgen essen werden, keine Energie auf abstrakte Bedrohungen. Dies führt allerdings mit sich, dass in weiten Teilen der malischen Bevölkerung bis heute große Skepsis herrscht, ob die Pandemie Realität ist.

 

3. In deinem Dissertationsprojekt untersuchst du das sprachliche Verhalten von Personen, die aufgrund ihrer Mobilität marginalisiert sind. Welche Konsequenzen hat die Pandemie für deine Forschungsarbeit und die Arbeit mit deinen Informanten?

Auch wenn die Pandemie zunächst nicht und dann nur langsam in Westafrika ankam, hatte sie natürlich Einfluss auf meine Gesprächspartner und mich, und damit auf meine Forschung. Flugverbindungen wurden unterbrochen, Landesgrenzen geschlossen und jeder mobile Mensch, ob Informant oder Forscher saß zunächst dort fest, wo er sich gerade befand. Natürlich konnten wir über soziale Medien weiter Kontakt halten, aber es war für meine Gesprächspartner natürlich dringlicher, sich abzusichern, als mit mir über Sprachliches zu philosophieren.

 

4. Wie schätzt du die mittel- und langfristigen Folgen der Pandemie für Mali und die Region, aber auch die von dir befragten Personen ein?

Aus heutiger Sicht ist es unmöglich, die Folgen der Pandemie vorauszusehen; egal von welcher Region der Welt wir sprechen. Tatsächlich scheinen die Unabwägbarkeiten im afrikanischen Kontext, allein schon wegen der schlechten Quellenlage, besonders groß zu sein. Wenn es sich jedoch weiter so verhält, wie momentan, kann ich mir vorstellen, dass die Pandemie Mali auch langfristig weniger stark trifft als zum Beispiel Deutschland. Diese Überlegung fußt zum einen auf dem Umstand, dass das soziale und wirtschaftliche Leben im Land kaum eingeschränkt wurde. Außerdem kann ich zumindest für die überwiegende Mehrheit meiner Kontakte im Land festhalten, dass sie sich im sogenannten informellen Raum bewegen, wo wenig bis keine staatlichen Strukturen existieren. Sie sind weitestgehend auf sich alleine gestellt, wodurch zwar keine wie auch immer gearteten Hilfen gegeben werden, aber gleichzeitig der Handlungsspielraum jeder einzelnen Person viel größer ist. So kann jeder in Eigenverantwortung schneller auf eine neue Situation reagieren, als wenn erst auf einen großen und schwerfälligen bürokratischen Apparat gewartet werden müsste.

 

Wir danken Katharina Monz für das Gespräch!