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Dissertationsprojekt von Lukas Jansen

Der Principat eine Kultur des Misstrauens? Untersuchungen zu Vertrauen und Misstrauen im frühen Principat (Arbeitstitel)

In der kaiserzeitlichen Gesellschaft herrschte eine düstere Atmosphäre, die von Furcht, Angst, Schrecken, Grausamkeit, Verrat und Gewalt geprägt war. Diesen Eindruck kann ein Leser zumindest gewinnen, wenn er beispielsweise die Werke des Zeitgenossen Tacitus liest. Ein Blick auf die Ereignisse scheint den Eindruck zu bestätigen, dass sich Rom im frühen Principat in ein ‚Forum der Angst‘ gewandelt habe: Im Zeitraum von 14-117 n. Chr. erhoben sich sieben Usurpatoren. Hinzu kamen 50-60 überlieferte Verschwörungen. Im Schnitt entwickelte sich alle zwei Jahre eine Gefahrensituation. Diese Zahlen dokumentieren einerseits klar die latente Bedrohung der Person des Princeps. Andererseits weist die Frequenz dieser Krisenereignisse auf ein von Angst und Misstrauen geprägtes Verhältnis von Elite und Herrscher hin, das prägend für die politische Kultur der römischen Gesellschaft im Principat war. Angesichts dieser Befunde überrascht jedoch die Beständigkeit dieses politischen Systems, die ohne ein gewisses Maß an Vertrauen schwer zu erklären ist. So wurde zwar immer wieder gegen die einzelnen Principes konspiriert oder usurpiert, aber das Herrschaftssystem als solches stand auch nach einer Ermordung oder Beseitigung eines Herrschers nie ernsthaft in Frage.

Wie sind diese paradoxen Beobachtungen miteinander zu vereinbaren? Stabilisierte am Ende eine einzigartige Mischung aus Vertrauen und Misstrauen das soziopolitische System des Principats? Welche Funktionen und Auswirkungen Vertrauen oder Misstrauen in den Strukturen des Principats und den interpersonellen Beziehungen zwischen Machtelite und römischem Kaiser entwickeln konnten, soll im Rahmen des Dissertationsprojekts erforscht werden. In einer Zeit, in der sich noch kein abstraktes Staatswesen ausgebildet hatte, musste der Princeps das ihn umgebende personale Netzwerk für politische und administrative Zwecke nutzen und die darin eingegliederten Personen an sich binden. Als entscheidend für das Funktionieren der aus Machtelite und Herrscher bestehenden Machtfiguration ist dabei interpersonelles und systemisches Vertrauen anzusehen. Vom Ausgeprägtheitsgrad des wechselseitigen Vertrauens war abhängig, wie die Akteure, einschließlich des Princeps, agieren konnten. Dieses System war fragiler Natur: Herrscher und Machtelite begegneten sich in komplex strukturierten Verhältnissen und hatten reziproke, sich über die Zeit verändernde Erwartungen zu berücksichtigen. Gewisse Grenzen durften nicht überschritten werden, da sich sonst Vertrauen in Misstrauen verkehren konnte, was einerseits vom kaiserlichen Gunstentzug bis zur Hinrichtung der Elitemitglieder und andererseits zu einer Verschwörung und Ermordung des Princeps führen konnte.

Das Dissertationsprojekt will eine Forschungslücke schließen und die historischen Dynamiken von Vertrauen und Misstrauen in der römischen Gesellschaft in den Jahren 14 bis 117 offenlegen. Mittels einer kritischen Auseinandersetzung mit den historischen Quellen und gestützt auf die interdisziplinäre Vertrauens- und Misstrauensforschung wird die historische Überlieferung befragt, um die beiden Phänomene in den Praktiken und sozialen Interaktionen der historischen Akteure sichtbar zu machen. Das mit dieser Arbeit verfolgte Ziel ist es, das dem Vertrauen und Misstrauen inhärente Potential für die Erforschung der Kaiserzeit zu erschließen und ein neues Angebot zu entwickeln, welches zu einem tieferen Verständnis der Mechanismen des Principats beitragen wird. Dabei ist zu prüfen, welche Rolle Vertrauen und Misstrauen in ihren verschiedenen Aggregatszuständen und Mischungsverhältnissen im komplexen Geflecht asymmetrischer und wechselseitiger Beziehungen, in denen die Machtelite und der Princeps miteinander verknüpft waren, spielten.

 

Kurzbiographie

Lukas Jansen, Jahrgang 1990, studierte von 2011 bis 2017 Geschichte und Political and Social Studies im Bachelor und Geschichte im Master an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Während seines Studiums war er als Hilfskraft am Lehrstuhl von Professor Dr. Rene Pfeilschifter und am Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg tätig. 2017 schloss er sein Masterstudium mit einer Arbeit zu „Vertrauen als Grundlage der sozialen Interaktion zwischen Eliten und römischem Kaiser“ ab. Im Anschluss erhielt er eine viermonatige Anschubförderung zur Promotionsvorbereitung vom Dekanat der Philosophischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Seit April 2018 promoviert er als Stipendiat im Integrated Track der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne unter der Betreuung von Professor Dr. Walter Ameling (Universität zu Köln), Prof. Dr. Rene Pfeilschifter (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) und Prof. Dr. Ralph Jessen (Universität zu Köln).

 

Vorträge

„The Principate – a culture of distrust? Some remarks on the conditions of transparency in the Principate” 18. September 2019, Konferenz “Trust and Truth”, AHRC International Interdisciplinary Conference, University of Cambridge.

Wie beeinflusste Abwesenheit von Rom Vertrauen im Verhältnis zwischen Kaiser und Machtelite? Der Fall Vespasian, 19.11.2018, Oberseminar Karl-Joachim Hölkeskamp „Neue Forschungen zur politischen Kultur der römischen Republik und der Kaiserzeit“, Universität zu Köln.

 

Kontakt: Lukas.Jansen90(at)gmx.de

 

Titelbild: Gemma Augustea, Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d5/Kunsthistorisches_Museum_Vienna_June_2006_031.jpg // Portraitfoto: Patric Fouad