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Dissertationsprojekt von Julia Rettig

Die Narrativität des Barock. Epochenkonstruktionen und poetologische Verfahren bei Conrad Ferdinand Meyer und Hugo von Hofmannsthal (Arbeitstitel)

Conrad Ferdinand Meyers Prosatexte und Hugo von Hofmannsthals Drama ‚Der Turm’ erweisen sich als Zeugnisse einer Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Auseinandersetzung mit der Epoche des Barock. Das Forschungsprojekt will aufzeigen, welche Konstruktionen der Barockepoche den Texten jeweils zugrunde liegen, an welche Diskursfelder diese Epochenkonzeptionen anschließen und wie diese nun poetologisch produktiv gemacht werden und sich in den Texten als moderne Schreibweisen entfalten.
Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten Kunst und Kultur des Barock gemeinhin als ästhetisch minderwertig, schwülstig und affektbeladen. Inhalte und Darstellungsformen barocker Kunstwerke verstoßen gegen klassische ästhetische Prinzipien, die die Debatte um die Frage, was schöne Kunst sei, dominieren. Der Umbruch innerhalb dieser ästhetischen und kunst- bzw. literaturtheoretischen Diskurse fällt mit dem aufkommenden Interesse an der vorklassischen Barockkultur zusammen und findet seinen Niederschlag in den literarischen Texten Meyers (1825–1898) und Hofmannsthals (1874–1929).
Das Dissertationsprojekt will aufzeigen, wie die jeweiligen zeitgenössischen Diskurse über die Kultur des Barock mit der literarischen Verarbeitung dieser Epoche in den Werken Meyers und Hofmannsthals korrespondieren, d.h. welche Narrative des Barock literarisch entfaltet werden. Zudem sollen die den Texten zugrundeliegenden Epochenkonstruktionen im Hinblick auf ihre Korrelation mit anderen zeitgenössischen (ästhetischen, politischen) Diskursfeldern verortet werden. Schließlich sollen die poetologischen Auswirkungen dieser Beschäftigung mit dem Barock in den Blick genommen werden. Meyers Prosa etwa lotet die Grenzen des realistischen Schreibens aus und befindet sich somit in einer Schwellenposition zur klassischen Moderne. Hofmannsthals politisches Drama evoziert eine ästhetische Gegenmoderne, die sich aus dem Spannungsfeld barocker Tradition und politischer Aktualität generiert.

 

Kurzbiographie

Studium der Neueren deutschen Literatur, Politikwissenschaft und Philosophie an der LMU München, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Università degli Studi di Napoli ‚L’Orientale’. Magisterarbeit zum Thema „Die Krise der Souveränität und die Figur des ‚nackten Lebens’ in Hofmannsthals „Turm“. Seit Oktober 2008 Stipendiatin der a.r.t.e.s.-Klasse 2, Dynamische Netzwerke der Moderne (Leitung: Prof. Rudolf Drux). Dissertationsbetreuung: Prof. Erich Kleinschmidt.

 

Titelbild: Antonio de Pereda, Der Traum des Ritters, um 1670, Madrid, Museo de la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando // Portrait: Roman Oranski