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Dissertationsprojekt von Valerio Bonanno

„Die scientia affectiva des Albertus Magnus als Modell einer dominikanischen Theologie“ (Arbeitstitel)

Im Zuge der Verbreitung der Mitte des 12. Jahrhunderts von Jakob von Venedig angefertigten lateinischen Übersetzung der aristotelischen Analytica posteriora, samt der darin enthaltenen Wissenschaftstheorie, haben es sich die lateinischen Theologen der Zeit zur Aufgabe gemacht, den wissenschaftlichen Charakter der Theologie anhand dieser für den lateinischen Westen neuen epistemischen Prinzipien zu untersuchen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Theologie in der christlichen Tradition primär als eine sapientia dargestellt. Schließlich beziehe sich die Weisheit, gemäß einer bereits von Augustinus von Hippo eingeführten Unterscheidung, auf die Kenntnis ewiger Gegenstände, im Gegensatz zur Wissenschaft, die sich vielmehr mit den zeitlichen beschäftige («ut ad sapientiam pertineat aeternarum rerum cognitio intellectualis, ad scientiam vero temporalium rerum cognitio rationalis»). Das daraus abgeleitete Theologieverständnis haben die Theologen an den Universitäten von Paris und Oxford erstmalig und explizit hinterfragt, indem sie dem Thema am Anfang ihrer Summae Theologiae und ihrer Kommentare zu den Sentenzen von Petrus Lombardus zahlreiche Quaestiones widmeten.

Die fruchtbare Verknüpfung von theologischer Konvention und dem Aufkommen neuer Paradigmen, die damit eine Art dynamisches Verhältnis hervorbringen, wird in dieser Arbeit unter besonderer Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes betrachtet. In der Tat wirkt sich in der Forschung über das Thema immer noch die implizite Interpretationslinie aus, wonach die obengenannten theologischen Texte ein zunehmend spezifischeres epistemisches Desiderat der scholastischen Theologen (Wilhelm von Auxerre, Alexander von Hales, Bonaventura, Eudes Rigaud, Albertus Magnus etc.) darstellen, und welche auf direktem Weg zur Subalternationstheorie des Thomas von Aquin als Lösung des Problems führen sollen. Ausgehend davon wird das primäre Ziel des Promotionsvorhabens darin bestehen, die systematisch-theologischen und bibelexegetischen Texte des Albertus Magnus weniger in einer systematischen Hinsicht, sondern vielmehr in einer historischen zu untersuchen, woraus sich ein vom spezifisch epistemischen Hauptaugenmerk des Thomas von Aquin abweichendes Theologieverständnis ergibt.

In diesem Sinne werden die zwei Theologiedefinitionen des Albertus Magnus, einerseits als scientia affectiva und andererseits als scientia practica, im Rahmen dieser Arbeit als ein komplexes und aufschlussreiches Beispiel einer Mitte des 13. Jahrhunderts gegründeten pastoralen Theologie betrachtet, die die Tradition der Pariser moraltheologischen Schule des Petrus Cantor mit dem neuen mendikantischen Ideal eines engeren Engagements des Theologen im gesellschaftlichen Leben verbindet.

 

Kurzbiografie

Valerio Bonanno studierte 2012-2016 Geschichte (mit Schwerpunkt Mittelalter) an der Università di Pisa. Es folgte 2016-2018 ein Master in Philosophie an derselben Universität. Von Oktober 2017 bis März 2018 hat er einen Teil der Masterarbeit im Rahmen eines Erasmus+-Forschungsaufenthaltes am Thomas-Institut der Universität zu Köln geschrieben. Sowohl die Bachelorarbeit («Visio in speculo e divinatio: Alberto Magno nel confronto con la tradizione teologica e filosofica sulla profezia») als auch die Masterarbeit («Ratio non probans sed manuducens: structures of theological argumentation in Albert the Great’s Commentary on Isaiah») haben die beste Benotung (110/110 cum laude) erhalten. Von Oktober 2018 bis März 2019 wurde sein Dissertationsvorhaben durch das Stipendium zur Promotionsvorbereitung der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne gefördert. Seit April 2019 ist er Kollegiat am Graduiertenkolleg 2212 „Dynamiken der Konventionalität 400–1550“ der Universität zu Köln. Sein Promotionsprojekt über das Theologieverständnis Alberts des Großen wird von Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Speer und Prof. Dr. Dominique Poirel (IRHT-CNRS) im Rahmen einer Cotutela-Promotion zwischen der Universität zu Köln und der École Pratique des Hautes Études (Paris) betreut.

Kontakt: valeriobonanno187(at)gmail.com

 

Publikationen

„Qui vel habet curam vel professionem praedicandi. Brüderliche Zusammenarbeit zwischen Mendikanten und Säkularen bei Albert dem Großen“, in Albert the Great and the Holy Scripture (hrsg. A. Colli), Divus Thomas, 122, 2019, S. 26-58.

 

Vorträge

„Notes on Albert the Great’s reception of Tit. 1:9 in the Postilla super Isaiam“, 30 Januar 2018, Forschungs- und Doktorandenkolloquium, Thomas-Institut (Universität zu Köln).

„Conflabunt gladios suos in vomeres, et lanceas suas in falces: i compiti della teologia nella Postilla super Isaiam di Alberto Magno“, 19 – 20 März 2018, “Teologia e filosofia della natura”, (Università di Trento, Italien)

„Analyse und Vergleich ausgewählter Texte aus den Evangelienkommentaren und aus dem Super Analytica priora des Albertus Magnus“, 04 June 2019, Forschungs- und Doktorandenkolloquium am Thomas-Institut (Universität zu Köln).

„Argumentative patterns and biblical exegesis: a survey within the Dominican masters of the 13th century“, 15 – 18 Juli 2019, “Quidam enim dicunt: Mendicant Theologies before Aquinas and Bonaventure”, St. Bonaventure University (Allegany, NY).

 

Titelbild: Beato Angelico, Crocifissione con san Domenico, 1442ca., Museo nazionale di San Marco, Florenz. // Portraitfoto: Patric Fouad