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Dissertationsprojekt von Thomas Kuchlbauer

Petrons Satyrica im Theater und Musiktheater. Antikenrezeption zwischen Nischenkunst und vorherrschender Theaterkultur (Arbeitstitel)

Das theaterwissenschaftliche Dissertationsvorhaben untersucht die Theater- und Musiktheaterrezeption des lateinischen Romans Satyrica. Dieser wurde vermutlich im 1. Jahrhundert n. Chr. unter Kaiser Nero vom Höfling Titus Petronius Arbiter verfasst und schildert die Abenteuer und Frivolitäten des jungen Enkolp. Die (musik-)theatrale Rezeption der Satyrica konzentriert sich vor allem auf die Cena Trimalchionis und auf die Novelle Die Witwe von Ephesus, implizit eine karnevalistische Verkehrung des christlichen Ostergeschehens. Die erste Rezeptionswelle im 17. und 18. Jahrhundert umfasst das englische Theater (S. Marmion: Holland’s Leaguer, 1631, London), das barocke Liebhabertheater (Trimalcion Moderne, 1702, Hannover, u. a. von G. W. Leibniz), diverse französische und englische Populärtheaterformen (C. Dibdin: The Ephesian Matron, 1769, Sadler’s Wells/London) und das deutsche Lustspiel (G. E. Lessing: Die Matrone von Ephesus, ca. 1740er-1760er, fragmentarisch). Die zweite Rezeptionswelle fällt in das 20. Jahrhundert, wobei Theaterschaffende die Satyrica vor allem im Kontext der (musik-)theatralen Experimente der Zwischen- und Nachkriegszeit, des Zeittheaters und der Wiederbelebung mittelalterlich-volkstümlicher Spielformen bearbeiten (B. Brecht: Sommersinfonie, ca. 1917-1920, fragmentarisch; B. Maderna: Satyricon, UA 1973).

Ziel des Dissertationsprojekts ist es, diese Bearbeitungen historisch-vergleichend zu erschließen. Insbesondere soll nachgezeichnet werden, wie aufgrund der frivolen, unkonventionellen und nur bruchstückhaft überlieferten Vorlage eine Rezeption entsteht, die von der jeweils vorherrschenden (Musik-)Theaterästhetik und von dominierenden Antikenbildern abweicht, sich jedoch parodistisch darauf bezieht und mit künstlerischer Innovation einhergeht. Im Rekurs auf Erich Auerbachs und Michail M. Bachtins literaturtheoretische Ansätze zu Petron sollen die Satyrica und ihre Rezeption als „anderes Theater“ (Rudolf Münz), d. h. als Gegenmodell zum (musikalischen) Kunsttheater und Theater der Alltagswirklichkeit diskutiert werden. Einbezogen wird zudem die altphilologische Forschungsdiskussion über die Nähe der Satyrica zur römischen Theater- und Spektakelkultur. Allgemein will die Dissertation so die Prävalenz des griechischen Theaters und dessen Einfluss auf das neuzeitliche Theater hinterfragen und bislang wenig beachtete Bereiche der (Musik-)Theatergeschichte jenseits der kanonischen Formen in den Blick rücken.

 

Kurzbiographie

Thomas Kuchlbauer, geboren 1992, promoviert seit 2017 an der Universität zu Köln im Fach Theater- und Medienwissenschaft unter der Betreuung von Prof. Dr. Peter W. Marx und Prof. Dr. Stephan Packard. Er ist Stipendiat der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Von 2011 bis 2016 studierte er Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft und Kunstgeschichte im Bachelor und Master an der Ludwig-Maximilians-Universität München, gefördert durch das Deutschlandstipendium der Münchener Universitätsgesellschaft. Während seines Studiums absolvierte er Hospitanzen am Gärtnerplatztheater München und am Staatstheater Augsburg, Assistenzen bei der Münchener Biennale, bei Rossini in Wildbad und Ultraschall Berlin. 2016 erhielt er den ersten Preis beim Opernwelt-Autorenwettbewerb.

Kontakt: thomas-kuchlbauer(at)gmx.de

Profil bei Academie.edu: http://uni-koeln.academia.edu/ThomasKuchlbauer

 

Vorträge

„Scheitern an Petron – G. E. Lessings Matrone von Ephesus und B. Brechts Sommersinfonie“, 11. November 2018, Kongress „Theater und Technik“ der Gesellschaft für Theaterwissenschaft (gtw.), Institut für Medien- und Kulturwissenschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

„The Widow of Ephesus in the Theatre and Music Theatre of the 18th Century“, 12. Juli 2018, Konferenz „Theatre and Migration. Theatre, Nation and Identity: Between Migration and Stasis“ der International Federation for Theatre Research (IFTR), Studio-Laboratory for Performing Arts, Faculty of Dramatic Arts, University of Arts, Belgrad.

„Alternative Männlichkeitsbilder in der musiktheatralen Petron-Rezeption“, 28. Oktober 2017, Nachwuchstagung „Männlichkeiten und ihre Klischees in Musik und Theater“, Zentrum für Genderforschung der Kunstuniversität Graz.

„Petronius’ Satyrica in Music Theatre. Reception of Antiquity between Niche and Predominant Aesthetics“ (Poster), 01. September 2017, [sic!] Summer Institute Cologne 2017, Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln.

„Hitlers Hans Sachs: Der Schusterpoet in Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg und Albert Lortzings Hans Sachs am Opernhaus Nürnberg“, 02. Juni 2017, Tagung „Hitler.Macht.Oper“ des DFG-geförderten Forschungsprojekts „Inszenierung von Macht und Unterhaltung. Propaganda und Musiktheater in Nürnberg 1920-1950“, Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth (fimt), Staatstheater Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Nürnberg.

 

Titelbild: Kupferstich zur Cena Trimalchionis aus François Nodots gefälschter Petron-Ausgabe von 1694 (Bayerische Staatsbibliothek München, 1062771 Rem.IV 137-1 1062771 Rem.IV 137-1, S. 86-87, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10780299-8) // Portraitfoto: Patric Fouad