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"Besser hätte es nicht laufen können."

a.r.t.e.s.-Stipendiat Sung Un Gang über sein internationales Promotionsprojekt auf zwei Kontinenten

von Simona Böckler

Sung Un Gang (Foto: Patric Fouad)

Sung Un Gang kommt aus Südkorea, hat in Seoul und Bonn studiert und promoviert seit 2015 im a.r.t.e.s. Integrated Track. Er ist einer von derzeit elf internationalen Studierenden, die ein a.r.t.e.s.-Promotionsstipendium erhalten. Wir haben Sung Un getroffen und mit ihm über seine Studienerfahrungen in Südkorea und Deutschland, die Internationalisierung bei a.r.t.e.s. und sein transkulturelles Promotionsprojekt gesprochen.

a.r.t.e.s. Graduate School: Lieber Sung Un, du bist in Südkorea aufgewachsen, hast dort deinen Bachelor gemacht und bist dann für dein Masterstudium nach Deutschland gewechselt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Sung Un Gang: In meiner Schulzeit habe ich gerne Romane von Thomas Mann und Hermann Hesse gelesen. Deshalb wollte ich gerne Deutsch lernen. Die Chance dazu hatte ich, weil ich in Südkorea eine Oberschule für Fremdsprachen besucht habe. Während meines Bachelorstudiums der Germanistik ging ich dann als Austauschstudent an die Universität Bonn. Danach entschloss mich, meinen Master dort anzuschließen – das Lehrangebot in Bonn war einfach viel größer als in Seoul, und das Leben als Student entspannter. Außerdem spielten die Studiengebühren eine große Rolle für mich: Als ich mein Masterstudium in Bonn anfing, musste ich zwar noch 500 Euro pro Semester zahlen, aber im Vergleich zu Südkorea war das so gut wie gar nichts. Ich bekam ein DAAD-Stipendium und konnte damit mein Studium komplett alleine finanzieren. In Seoul hätte ich einen Kredit aufnehmen oder neben dem Studium noch arbeiten und länger studieren müssen, wie es viele meine Freundinnen und Freunde machen.

Nach deinem Masterstudium bist du nicht zurück nach Südkorea gegangen, sondern hast eine Promotion begonnen und dich für ein Stipendium bei a.r.t.e.s. beworben.

Vor dem Beginn meiner Promotion wohnte ich bereits in Köln. Die Entscheidung, an der Uni Köln zu promovieren, fiel jedoch durch a.r.t.e.s. Nach dem Studienabschluss in Bonn habe ich zuerst als freiberuflicher Journalist und Übersetzer gearbeitet. Ich hatte schon lange die Idee im Kopf, über die koreanische Frauenbewegung während der kolonialen Zeit aus kulturwissenschaftlichen Perspektive zu forschen. Aber in Deutschland habe ich keine Möglichkeit gesehen, die Idee in die Tat umzusetzen – bis ich die Ausschreibung von a.r.t.e.s gelesen habe. Ich habe mir alle geförderte Projekte angeschaut und hatte den Eindruck, dass bei a.r.t.e.s. auch ungewöhnliche Forschungsprojekte gefördert werden. Da ich aus familiären Gründen in Deutschland bleiben wollte, stellte a.r.t.e.s. für mich die perfekte Möglichkeit dar, mein Wunschprojekt zu realisieren. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass ich riesiges Glück hatte. Ich habe mich einfach so beworben, ohne vorher eine Lehrperson an der Uni Köln zu kontaktieren. Im Bewerbungsgespräch saß dann mein jetziger Betreuer, Peter W. Marx, und zeigte großes Interesse. Besser hätte es nicht laufen können.

Foto: Christina Vollmert

Du promovierst zur koreanischen Frauenbewegung während der kolonialen Zeit. Wie fühlst du dich mit so einem international ausgerichteten Thema bei a.r.t.e.s. aufgehoben?

Mein Promotionsprojekt im Fach Theater- und Medienwissenschaft trägt den Arbeitstitel „Home – Theatre – Battlefield. Modernization of Theatre and Negotiation of Women’s Role in Colonial Korea (1910–1945)“. Ich betrachte die Etablierung des sogenannten modernen Theaters in Korea und die soziokulturelle Interaktion zwischen Theater und der Gesellschaft unter der Fragestellung, wie die alte Innen-Außen-Regel und das damit zusammenhängende Frauenbild in Korea durch die Theaterpraxis in Frage gestellt wurden, und welche Rolle die koloniale Politik dabei spielte. Es handelt sich dabei um Globalisierungsprozesse, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert in Ostasien stattfanden. Da es an der Uni Köln keine Koreanistik gibt, betreut eine Professorin an meiner Heimatuniversität mein Projekt als Zweitbetreuerin mit. Es ist ein großer Vorteil, dass ich eine Lehrperson außerhalb Deutschlands in meinem Betreuungsteam haben darf.
Außerdem erfahre ich eine wirklich großzügige finanzielle Unterstützung durch die Fördermittel von „a.r.t.e.s. international – for all“, was meine Recherchereisen angeht. Ich war schon in Südkorea, Japan und zuletzt in Oxford, um nach Quellen zu suchen. Es war ein echter Lernprozess, diese Chancen wahrzunehmen und meine Recherchereisen so lang und intensiv wie möglich zu planen. Mein Forschungsthema bestimmt den Rahmen der Reiseförderung, und das ist fair und sehr hilfreich.

Arbeitest du für deine Forschung mit deiner Heimatuniversität in Südkorea zusammen? Wie wichtig ist dir generell der Austausch mit Studierenden oder Lehrpersonen an internationalen Universitäten?

Ich mache zwar keine Cotutela-Promotion, aber meine Zweitbetreuerin Yun-Young Choi arbeitet an der Seoul National University, an der ich auch mein Bachelor gemacht habe. Ein- oder zweimal pro Semester berichte ich ihr über meinen Arbeitsstand und bekomme dann ausführlich Rückmeldung. Im Juni war sie für eine Tagung in Deutschland, so dass es die erste Gelegenheit für ein großes Betreuungsgespräch zusammen mit meinem Erstbetreuer gab. Das war sehr spannend und hat mich wieder ein ganzes Stück weiter gebracht.
Viele meiner Freundinnen und Freunde promovieren in Seoul, daher arbeite ich oft mit ihnen zusammen, zum Beispiel im Rahmen eines Übersetzungsprojekts. Darüber hinaus habe ich durch den Institutsaustausch zwischen der Medienkulturwissenschaft der Uni Köln und den Arts and Aesthetics der Jawaharlal Nehru University in Neu Delhi und auch durch das Summer Institute Cologne [sic!] viele internationale Studierende und Lehrende kennengelernt. Mit diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kann ich über ganz andere Dinge reden als in Seminaren oder auf Konferenzen in Europa, das ist eine sehr wichtige Perspektive für mich.

Wir danken Sung Un Gang für das Gespräch!