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„Manchmal kann man durch die Veränderung von Worten, durch die Veränderung der Wahrnehmung auch die Taten verändern. Das versuche ich zu vermitteln und das versuchen auch meine Gedichte.“ (Katharina Kalinowski)

Katharina Maria Kalinowski ist EUmanities Fellow (Marie Skłodowska-Curie Actions) an der a.r.t.e.s. Graduate School, wo sie zum Thema “Trans-lating Nature: An Investigation into the Multiplicity of Languages in Ecopoetry” promoviert. Sie ist zugleich Dichterin mit dem Schwerpunkt Ecopoetics.

Ihre Arbeit löst mit Ecopoetics eine Trennung von Theorie und Praxis auf und setzt sich mit der Rolle und dem transformativen Potenzial von Sprache im Zeitalter des globalen Klimawandels auseinander. Es geht ihr darum, „diskriminierende Denkweisen aufzubrechen, Kategorien zu hinterfragen, festgefahrene Sprachkonstruktionen auszuhaken, fassbare Kritik anzubringen und transformative Räume für Veränderung zu schaffen. Die Macht der Sprache zu reflektieren, wie sie das Verhältnis zur Mitwelt prägt und die Zerstörung dieser mitlegitimiert.“

Vom 31. Oktober bis zum 3. November 2019 hat Katharina als Referentin auf der internationalen Jugendklimakonferenz in Hopfmannsfeld, Oberhessen mitgewirkt. Wir treffen uns heute mit ihr um ein paar interessante Einblicke in ihre Arbeit zu bekommen.

a.r.t.e.s Graduate School: Worum geht es bei der Internationalen Jugendklimakonferenz in Hopfmannsfeld?

Die Internationale Jugendklimakonferenz in Hopfmannsfeld/Oberhessen fand 2019 bereits zum zweiten Mal statt und öffnet im ländlichen Raum einen Dialog über den Umgang mit dem menschengemachten Klimawandel. Sie wird von der Evangelischen Jugend des Dekanats Vogelsberg organisiert und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Über vier Tage kamen unter dem Leitmotto „Fleisch-Karotte-Käfer – Ernährungsstile der Zukunft“ ca. 35 interessierte Jugendliche zusammen, um sich über Nachhaltigkeit zu informieren und sogenannte „KlimabotschafterInnen“ zu werden. Dazu gab es unter anderem themenbezogene Fachvorträge, Diskussionen, Workshops, Gottesdienste, Exkursionen und gemeinsame Kochaktionen. Am 2.11., am Tag des „Klimagipfels“ kamen zu den ständigen Konferenzteilnehmenden dann noch einmal ca. 100 weitere Tagesgäste dazu. Die Altersspanne an diesem Tag reichte ungefähr von 6 bis 80 Jahren – die Konferenz ist also „intergenerativ“. Am letzten Tag wurden sogenannte „Klimapäckchen“ – Erfahrungen, Eindrücke, Botschaften, Anregungen, Fakten, die während der vier Tage gesammelt wurden – gepackt und zu ausgewählten PolitikerInnen und EntscheidungsträgerInnen in Kirche, Politik und Wirtschaft geschickt, um die Erkenntnisse zu verbreiten: Die Zeit ist überreif; „es ist schon fünf nach Zwölf“ wurde zu unserem inoffiziellen Leitspruch.

a.r.t.e.s Graduate School: Welche waren deine Aufgaben auf der Konferenz?

Ich war für die vier Tage als Referentin bzw. begleitende (Eco-)Künstlerin eingeladen, was im Endeffekt die unterschiedlichsten Aufgaben beinhaltete, geplante wie auch spontane. Im Programm wurde ich als promovierende Ecopoetryslammerin aufgeführt – eine spannende Beschreibung, aber mit Poetry Slam haben meine Gedichte nicht wirklich viel zu tun!

Zu meinen geplanten Aufgaben gehörten: Zwei Schreibworkshops zum Thema Ecopoetry leiten und poetische Impulse geben. An ungeplanten Aufgaben kamen dazu: Fürbitten vorlesen, gesellschaftskritische Gedichte in der Kirche vortragen, basteln, singen, Marmelade kochen, übersetzen, Mauerflechten suchen…

a.r.t.e.s Graduate School: Als Fellow bewegt man sich oft primär in akademischen Kontexten. Wieso hast du dich im Rahmen dieser nicht-wissenschaftlichen Konferenz engagieren wollen?

Ich finde den gesellschaftlichen Bezug sehr wichtig – als WissenschaftlerIn hat man meiner Ansicht nach auch eine gewisse Verantwortung. Wissenschaftliche Forschung findet ja schließlich in einem Kontext statt – wie auch immer der sich auswirken mag. Zu meinem Promotionsprojekt gehört eine selbstverfasste Gedichtekollektion. Ecopoetics versucht im Prinzip, durch „poiesis“ etwas zu gestalten, etwas zu „machen“. Wenn man nichts „macht“, kann auch nichts passieren (in vielerlei Hinsicht). Ecopoetics als eine Auffassung, eine Haltung, als ein „passionate, [a] necessary interest“, wie Marcella Durand und Evelyn Reilly schreiben, „is never enough on the page“, wie Angela Hume schreibt. Und dem stimme ich voll und ganz zu. Die Klimakatastrophe mit all ihren vielfältigen Auslösern und Folgen ist die größte Herausforderung unserer Zeit und wenn man ein breiteres Bewusstsein dafür schaffen will, sollte man das meines Erachtens (jetzt mal salopp gesagt) nicht nur von der Bibliothek aus tun.

a.r.t.e.s Graduate School: Welche Beziehung besteht zwischen deiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit und deinen Aktionen auf der Konferenz?

Meine Gedichte schreibe ich in der Regel nicht für die Schublade, sondern sie sollen im besten Fall in irgendeiner Form was „machen“, von daher ist es immer schön, ein Publikum zu finden. In den Workshops ermutige ich die Teilnehmenden immer, andere Blickwinkel einzunehmen und sich zum Beispiel vorzustellen, wie ein Baum oder eine Kuh die Welt sehen würden. Ich frage, wie Sprache hierarchisiert und inwiefern vor allem der romantische Naturgedanke und die anthropozentrische Sichtweise das Naturbild und – in Hinblick auf das Motto der Konferenz - insbesondere auch unsere Mensch-Tier-Beziehung prägen. „Klimawandel“, „grünes Wachstum“, „ethische Schlachtung“, „Nachhaltigkeit“, „ökologischer Fußabdruck“ sind alles bereits Abstraktionen, Euphemismen und Verschleierungen oder leere Schlagworte die es sich lohnt, poetisch zu bearbeiten – auf praktische Art und Weise. Das ist die inhaltliche Arbeit auf der einen Seite. Die hängt natürlich zuallererst an der Vermittlung und der Bereitschaft zur praktischen Arbeit, zur Kreativität, zum Schreiben an sich. Es bereitet mir sehr viel Freude, Leute zum Schreiben zu bringen, Gedichte aus ihrer oftmals verstaubten, vorurteilsbelagerten, regelmäßig kreuzgereimten Muss-Ich-Jetzt-Eine- Gedichtinterpretation-Schreiben-Schublade rauszukramen und neu zu besetzen. In dem Bereich gibt es so viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Schreiben, insbesondere Dichten wird noch immer viel zu häufig als eine Art geniusbehaftete Mysterium betrachtet, bei dem Mann darauf wartet, dass der Musenkuss kommt, dann anschließend wie von Zauberhand das Meisterwerk erscheint und in die Welt getragen wird. Spoiler: So ist es nicht. 

a.r.t.e.s Graduate School: Was wolltest du mit deinem Engagement auf der Konferenz bewirken?

Ich hoffe, dass ich auf die Rolle der Sprache und Kunst aufmerksam machen konnte und dass meine Gedichte Raum zum Nachdenken gegeben haben. Eine der Organisatorinnen der Konferenz erzählte mir am letzten Tag, dass sie jetzt viel mehr darauf achten würde, wie wir Wörter im Alltag einsetzen würden und schilderte mir ihre Begegnung mit einem Journalisten. Auf ihre Frage, was für Milch er gern in seinem Kaffee hätte (z.B. Soja-, Hafer- oder Kuhmilch), bat er um „normale“, woraufhin sie fragte, was denn „normal“ bedeuten würde. Wenn Poesie es schafft, Normalität zu hinterfragen, hat sie für mich schon viel geschafft.  

a.r.t.e.s Graduate School: Die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen legen sehr viel Wert darauf, Forschungsaktivitäten für ein breiteres, nicht-akademisches Publikum zugänglich und interessant zu machen. Dies scheint dir auf der Konferenz gelungen zu sein…

In der Wissenschaft werden viele Sachverhalte als gegeben und allgemeinhin bekannt angenommen, sodass die Kluft zur Gesellschaft gar nicht mehr wahrgenommen wird. Und eigentlich muss man ja genau dort ansetzen – wo Taten nicht im Einklang mit dem Stand der Forschung stehen – damit Veränderung stattfinden kann. Beim Thema Klimanotstand ist das natürlich umso mehr der Fall. Bei vielen Konferenzen im Feld der Environmental Humanities steht diese schuldbewusste Frage „Was können wir sonst noch machen“ im Raum – von daher ist es schön, wenn man dann auch mal irgendwie sonst noch was machen kann – und das in einer Umgebung, die sich radikal von meinem üblichen Umfeld unterscheidet.

 

Wir danken Katharina Maria Kalinowski für das Gespräch!