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Dissertationsprojekt von Marlene Kleiner

Frühmittelalterliche Bautechnik als Datierungskriterium? Der Alte Dom St. Johannis von Mainz im europäischen Vergleich (Arbeitstitel)

Am Alten Dom von Mainz, der heutigen ev. Pfarrkirche St. Johannis, wurde während archäologischer und bauhistorischer Untersuchungen zwischen 2008 und 2018 eine außergewöhnliche Befundlage beobachtet: Während die gesamte Erdgeschoss-Zone des fast 30 m breiten und 50 m langen Baus nach dem Zweiten Weltkrieg aus Backstein erneuert wurde, haben sich sowohl unterhalb des modernen Fußbodens bis in 2,80 m Tiefe, als auch oberhalb der Backstein-Erneuerung bis zu 16 m über dem mittelalterlichen Laufniveau großflächige Mauerreste aus vorromanischer Zeit erhalten, die mehreren Bauphasen zuzuordnen sind. Da mit naturwissenschaftlichen Methoden bislang keine zuverlässigen Datierungen für die Mauern gewonnen werden konnten und durch die Backstein-Erneuerung die Anbindung an datierende Funde aus der archäologischen Grabung verloren ist, stellt sich also die Frage, wie diese Mauerwerke nicht nur absolut datiert, sondern zunächst einmal relativ-chronologisch eingeordnet werden können.

Dieses Problem stellt sich nicht nur in Mainz, sondern z. B. auch am Alten Kölner Dom, der Kirche St. Vitalis in Esslingen am Neckar und an vielen weiteren frühmittelalterlichen Bauten. Bislang werden sie meist nur über Schriftquellen datiert, von denen oft nicht gesichert ist, ob sie sich überhaupt auf den entsprechenden Bau beziehen. Zwar sind häufig noch umfangreiche Reste des Mauerwerks erhalten, jedoch gibt es keine übergreifenden Zusammenstellungen, anhand derer Veränderungen in der Bautechnik nachvollzogen werden können. Während über die Abläufe auf hoch- und spätmittelalterlichen Baustellen bereits umfangreiche Studien vorliegen, wurden diese Fragen für die Zeit vor 1000 n. Chr. bislang nur selten gestreift, geschweige denn explizit untersucht.

An dieser Stelle setzt mein Promotionsvorhaben an. Ich untersuche die erhaltenen frühmittelalterlichen Mauerreste auf ihre bautechnischen Befunde hin. Da Bautechnik regional und zeitlich begrenzten Handwerkstraditionen und Konventionen unterliegt, lässt sich anhand einiger gut datierter Beispiele ein, Datierungsgerüst erstellen, anhand dessen dann auch bisher nur schlecht oder gar nicht datierte Bauten eingeordnet werden können.

 

Kurzbiografie

Marlene Kleiner studierte Europäische Kunstgeschichte, Englische Literatur und Interdisziplinäre Mittelalterstudien an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Berufliche Erfahrungen sammelte sie als wissenschaftliche Hilfskraft im Universitätsarchiv, in der Mediathek des Kunsthistorischen Instituts sowie als ehrenamtliche Redakteurin der Studentenzeitung. Von 2013 bis 2018 arbeitete sie, zunächst studienbegleitend, als Bauforscherin und Archäologin in einem Forschungsprojekt an der Mainzer Johanniskirche, in der sich große Teile des frühmittelalterlichen Mainzer Doms erhalten haben. Sie schloss ihr Master-Studium 2016 mit einer Arbeit über den Umbau der Johanniskirche vom Dom zur Stiftkirche im 11. Jahrhundert ab. Seit April 2018 ist sie Kollegiatin der a.r.t.e.s. Graduate School am Graduiertenkolleg 2212 „Dynamiken der Konventionalität“ und wird betreut von Prof. Dr. Norbert Nußbaum, Prof. Dr. Matthias Untermann (Heidelberg) und Prof. Dr. Karl Ubl.

Kontakt: marlene.kleiner(at)uni-koeln.de

 

Publikationen

Mit Matthias Untermann: Der Alte Dom von Mainz. Bauuntersuchungen in der St. Johanniskirche 2013–2016, in: InSitu 2017,2, 2017, S. 153–162.

Mit E. Laura Heeg: Tagungsbericht 2. Internationaler Doktorandenworkshop zu mittelalterlicher Sakralarchitektur vom 28. Sept. bis 2. Okt. 2016 in Leifers, Südtirol und Exkursion Südtirol (Vinschgau und Münstertal), Chur und Reichenau vom 3. bis 5. Okt. 2016, in: Das Münster 70, 2017,2, 2017, S. 151–154.

Mainz, St. Johannis (Alter Dom), in: Katarina Papajanni / Judith Ley (Hg.): Karolingerzeitliche Mauertechnik in Deutschland und der Schweiz, Regensburg: Schnell + Steiner 2016, S. 123–127.

St. Johannis in Mainz – ein vergessener frühmittelalterlicher Dombau, in: ART-Dok 2016. Link.

 

Vorträge und Führungen (Auswahl)

„Mauern, Mörtel, Fundamente. Neue Forschungen zur ältesten Kirche Esslingens“, 31. Oktober 2018, Öffentlicher Abendvortrag, Esslingen am Neckar.

„Frühmittelalterliche Bautechnik als Datierungskriterium?“, 05. August 2018, Fachtagung „4. Interdisziplinärer Doktorandenworkshop zu mittelalterlichen Sakralräumen“, Leifers (Italien).

„Die Johanniskirche in Mainz. Form, Funktion und Baugeschichte“, 20. April 2016, Öffentlicher Abendvortrag beim Historischen Verein Ingelheim, Ingelheim.

Mit Matthias Untermann: „Neu entdeckt: Der Alte Dom von Mainz, ein erhaltener Großbau der Merowingerzeit“, 08. Juli 2015, Öffentlicher Abendvortrag bei der Niederrheinischen Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichtsforschung e. V., Duisburg.

Mit Matthias Untermann: „Die Bauuntersuchungen an der Johanniskirche“, 09. April 2015, Fachtagung „Der Alte Dom zu Mainz“, Mainz.

Mit Dethard von Winterfeld: „Führung durch die St. Johanniskirche im Rahmen der Exkursion Mainzer Dom I: Architektur“, 28. März 2015, XXXIII. Deutscher Kunsthistorikertag „Der Wert der Kunst“, Mainz.

„Karolingische Mauertechnik in der Mainzer St. Johanniskirche“, 27. März 2015, Fachtagung „Karolingerzeitliche Mauertechnik“, Aachen.

 

Titelbild: Ostfassade der Kirche Notre-Dame in Selommes, Frankreich, mit auffälligem Zier-Mauerwerk (Foto: Marlene Kleiner) // Portraitfoto: Patric Fouad