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Zum Verhältnis zwischen Mensch und Technik

Johannes Schick über sein DFG-gefördertes Forschungsprojekt

von Alessa Hübner

Foto: Oliver Berger

Seit November letzten Jahres läuft das an der a.r.t.e.s. Graduate School angesiedelte Projekt von Dr. Johannes Schick „Handlung – Operation – Geste: Technologie als interdisziplinäre Anthropologie“. Der ehemalige Postdoktorand im Research Lab hat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 273.000 Euro für die Finanzierung seines Projekts mit einer dreijährigen Laufzeit eingeworben. Wir haben mit Johannes Schick über sein Projekt aus dem Bereich der Technikphilosophie gesprochen.

 

a.r.t.e.s. Graduate School: Lieber Johannes, herzlichen Glückwünsch zur erfolgreichen Antragstellung. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?

Johannes Schick: Danke! Die Idee, Anthropologie und Technikphilosophie zu verknüpfen, ist eigentlich schon lange da und hat sich durch die Arbeit im a.r.t.e.s. Research Lab über die Jahre weiterentwickelt. Dabei hat Verschiedenes eine Rolle gespielt: Es gibt zum Beispiel Überschneidungspunkte mit dem Kategorienprojekt der Durkheim-Schule, das wir im Research Lab intensiv beforscht haben. Auch eine Kooperationsveranstaltung mit der Universität Lissabon zur Philosophie der Technologie war nicht unwichtig für mein Projekt. Ebenso war die Cologne Summer School of Interdisciplinary Anthropology (CSIA) ein wichtiger Zwischenschritt zur Vorbereitung meines Projekts. Mit der CSIA habe ich eine interdisziplinäre Sommerschule organisiert, in der ich den Fokus auf Materialität und Techniken legen konnte. Für mein Projekt war das insofern wichtig, als dass ich Texte, die ich zur Vorbereitung des Projekts und für die Antragstellung gelesen habe, zum Thema in der Summer School machen und mit Forscherinnen und Forschern aus unterschiedlichen Ländern und Disziplinen diskutieren konnte. Damit konnten die Debatten, die wir bereits in der ja ebenfalls interdisziplinären Atmosphäre des Research Lab geführt hatten, sozusagen auf ein anderes Niveau gebracht werden.

 

Bitte berichte kurz, worum es in deinem Projekt geht und welches Ziel du damit verfolgst.

Das Projekt knüpft an eine Tradition in der französischen Philosophie und Anthropologie des 20. Jahrhunderts an, in der Techniken zum Ausgangspunkt genommen wurden, um menschliches Verhalten zu untersuchen. Diese Tradition ist eng verbunden mit der Debatte um den ‚homo faber‘, den ‚werkzeugmachenden Menschen‘, hinter der die Annahme steht, dass menschliche Intelligenz handlungsorientiert arbeitet, das heißt, dass sie vordergründig an praktischem und nicht an reinem Wissen interessiert ist. Im Projekt soll diese Debatte nachgezeichnet und an die Tradition angeknüpft werden, in der technische, natürliche und soziale Abläufe in ihrer Verschränkung betrachtet werden. Wichtige Namen sind dabei Henri Bergson, Émile Durkheim, Marcel Mauss, Gilbert Simondon und auch Bruno Latour. Im Projekt soll es also darum gehen, den Begriff der Technologie zu klären, die Bedeutung von Technik und Technologie für den Menschen zu untersuchen und davon ausgehend menschliche Praktiken in der Welt zu fassen. Im Zentrum steht das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, das ganz wesentlich durch Techniken bestimmt ist; das können körperliche, instrumentelle und maschinelle Techniken sein. Die Debatte über das Verhältnis von Natur, Kultur und Technik soll anhand der philosophischen Begriffe Handlung, Operation und Geste bearbeitet werden. In meiner Habilitation, die das Ziel meines Projekts darstellt, soll der Begriff der Technologie für eine interdisziplinäre Anthropologie fruchtbar gemacht werden.

 

Könntest du bitte erläutern, was du unter einer interdisziplinären Anthropologie verstehst?

Es ist Aufgabe der Philosophie, eine interdisziplinäre Anthropologie zu entwickeln und diese möglichst offen zu gestalten. Der Philosophie ist es möglich, ihre eigenen Fragen interdisziplinär zu stellen, sodass wiederum auch Neues über den Austausch mit anderen Wissenschaften in der Philosophie entstehen kann. Begriffe wie etwa Substanz oder Materie spielen sowohl in der Philosophie als auch in den Natur- und Ingenieurswissenschaften eine Rolle. Aber auch innerhalb der Geisteswissenschaften ist es wichtig, offen für Impulse aus anderen Disziplinen zu sein – so war etwa die Auseinandersetzung mit der Ethnologie augenöffnend für mich, als wir uns im Research Lab mit dem Kategorienprojekt auseinandersetzten. Die Öffnung für andere Disziplinen und Denkansätze soll sich in einer interdisziplinären Anthropologie der Technik auch darin äußern, dass die Frage nach dem Menschen anders gestellt wird, dass also nicht länger danach gefragt wird, was der Mensch ist, sondern was er tut, dass also der Fokus auf die Operationen, auf die Praxis verschoben wird. Hier ist es wichtig, Symmetrien zwischen menschlichen Operationen und technischen – oder auch tierischen – Operationen aufzuweisen: Es geht also darum, zu klären, was wir eigentlich machen, wenn wir Faustkeile, Fahrräder oder Smartphones benutzen. Was sind das für Dinge, mit denen wir da umgehen? Wie werden wir in unserem Handeln von ihnen beeinflusst und wie strukturieren wir unsere Umwelt mit ihnen? Was sind die menschlichen Leistungen, die in ihnen stecken? Und was sind die Beziehungen, die wir mit der Technik eingehen? Dabei sollen nicht von vornherein bestimmte Verständnisse vom Menschen zugrunde gelegt werden, sondern der Mensch wird in dieser Herangehensweise erst einmal als Wesen definiert, das vielfältige Beziehungen eingeht.

 

Warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, sich in den Geisteswissenschaften mit Techniken und Technologien zu beschäftigen?

Techniken prägen die menschliche Praxis und damit das soziale Leben. Techniken sind somit nie allein technisch, sondern immer auch sozial. Es stellt sich daher die Frage, wie technische Objekte unsere sozialen Kontakte (mit)konstituieren. Als Beispiel kann die Tatsache dienen, dass wir dieses Interview per Skype führen, dadurch wird unsere Interaktion mitbestimmt. Wir dürfen die Beschäftigung mit Technik und Technologien daher nicht allein den Ingenieurswissenschaften überlassen. Deshalb möchte ich anhand der oben genannten Autoren eine andere Perspektive auf Technik entwickeln. In dieser Perspektive werden technische Objekte nicht lediglich als Gebrauchsgegenstände gesehen, sondern als Gegenstände, mit denen wir agieren und diese mit uns: Das Verhältnis zur Technik ist wechselseitig. Wir haben im Gegensatz zu unseren Vorfahren größtenteils verlernt, uns Gedanken darüber zu machen, was die Dinge in unserer Umgebung eigentlich sind und was sie für uns und unser Handeln bedeuten. Dazu gehört auch, sich zu vergegenwärtigen, dass vieles in unserer alltäglichen Umwelt auf Grundlage komplexer technischer Abläufe funktioniert, wie etwa Computer und Internet, und sich ebenso zu vergegenwärtigen, dass alle diese technischen Abläufe wiederum von menschlichen Individuen programmiert wurden. Diese Perspektive kann dabei helfen, Ängste vor zukünftigen technischen Entwicklungen, also zum Beispiel vor Robotern, zu nehmen, da sie danach fragt, durch welchen Geist die technischen Dinge beseelt sind. Gleichzeitig soll jedoch nicht jede technische Entwicklung einfach bejaht werden, sondern eine Haltung gegenüber der Technik möglich werden, die ihre sozialen und ökologischen Konsequenzen mitbedenkt. Gilbert Simondon entwickelt in seiner Technikphilosophie das Ideal eines neuen Humanismus, der auf Harmonie zwischen Mensch, Umwelt und Technik zielt. Es geht bei der geisteswissenschaftlichen Beschäftigung mit Technik also auch um die Entwicklung einer Perspektive auf Technik, die diese weder verherrlicht noch verteufelt, sondern sie mit dem Menschen und der menschlichen Praxis in einen engen Zusammenhang setzt. Ich denke, dass eine solche Haltung notwendig ist, um sich den drängenden Problemen des 21. Jahrhunderts – Klimawandel, Automatisierung, digitale Revolution etc. – adäquat zu stellen.

 

Wir danken Johannes Schick für das Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg!