zum Inhalt springen

Wie schafft es Migration ins Museum?

a.r.t.e.s.-Alumna Sandra Vacca promoviert über und arbeitet bei DOMiD

von Julia Maxelon

vergrößern:
Foto: Sebastian Grote

Wie schafft es Migration ins Museum? Was bedeutet Migration für die Geschichte eines Landes und wie wird sie gesammelt, aufbereitet, dargestellt? Diese Fragen versucht Sandra Vacca, Museologin und a.r.t.e.s.-Alumna, in ihrem geschichtswissenschaftlichen Promotionsprojekt „Remembering, Narrating and Representing Immigration: Immigration Museums and Exhibitions in Germany, France and the UK“ zu beantworten. Doch nicht nur im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt sich Sandra mit Migration in Deutschland: In Köln engagiert sie sich darüber hinaus seit vielen Jahren bei DOMiD, dem Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland.

Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt mit hochaktuellen Fragen

Sandra studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Museologie in Lyon, Durham und St. Andrews. Im Anschluss wurde sie Kuratorin des St Andrews Preservation Trust Museums. In Deutschland engagierte sie sich bei unterschiedlichen Museumsprojekten, etwa bei a.r.t.e.s. als Mitglied im Team der a.r.t.e.s. galerie oder im Kölnischen Stadtmuseum. Sandras interdisziplinäres Promotionsprojekt im Schnittfeld von Geschichtswissenschaften und Museologie vergleicht Museen und Ausstellungskonzepte in drei Ländern, die sich mit Migration beschäftigen: "Ich finde es spannend, herauszufinden, wie Ausstellungen zum Thema Migration zustande kommen – vor allem interessiert mich, wer daran beteiligt ist und wie die soziopolitischen Kontexte der drei Länder dies beeinflussen. Es geht schließlich darum, zu analysieren, wer spricht – und für wen", so Sandra.

Dass Sandras Forschungsfragen hochaktuell und relevant sind, ist spätestens seit den verstärkten Migrationsbewegungen aus Kriegs- und Krisenregionen nach Deutschland in den letzten Jahren auch im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Die zentralen Themen ihres Projekts – Migration, Heimat, Identität(szuschreibungen), Repräsentation – werden zunehmend gesamtgesellschaftlich diskutiert und nehmen auch die Anfänge der Migration nach Deutschland nach 1945 in den Blick: "Es ist wichtig zu verstehen, wie die Mechanismen von Repräsentation, Zuschreibungen und Zugehörigkeit funktionieren. Museen sind hochpolitische Orte: Ob, welche und wie Geschichte(n) der Migration dort erzählt und erinnert werden, sagt einiges über unsere Gesellschaft: Wer ist ‚wir‘? Im Grunde geht es um Anerkennung und Selbstwahrnehmung"

vergrößern:
Foto: DOMiD-Archiv / Cristiane Schmidt

Migrationsmuseen – ein Novum nicht nur in Deutschland

DOMiD wurde 1990 in migrantischer Eigeninitiative gegründet und sammelt Materialien zur Migrationsgeschichte: Schriftstücke, Ton- und Bildaufnahmen, Alltagsgegenstände. DOMiD ist Archiv, Dokumentationszentrum und Museum zugleich und damit eine Art von Institution, von der es in Deutschland und Europa trotz jahrhundertelanger Migrationsgeschichte(n) nur wenige gibt. War der Schwerpunkt der Sammlung zu Beginn noch die Arbeitsmigration aus der Türkei ab 1961, umfasst sie heute alle Migrationsbewegungen nach Deutschland seit 1945: aus Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, Marokko, Tunesien, Ex-Jugoslawien, Südkorea, Vietnam, Mosambik, Angola, und vielen weiteren Ländern. Die beeindruckende Zahl von 150.000 Objekten in der Sammlung wurde kürzlich überschritten.

Sandra engagiert sich bei DOMiD, seitdem sie 2012 für ihre Dissertation viele Stunden in der Bibliothek und im Archiv des Vereins zugebracht hat. 2013 wurde sie für eine Machbarkeitsstudie zur Entwicklung eines virtuellen Migrationsmuseums angestellt – und war sofort von dem Projekt begeistert. Danach nahm sie für DOMiD an unterschiedlichen Projekten teil und entwickelte beispielsweise eine Ausstellung und einen Workshop für die Bundesmigrationskonferenz der IG Metall und Vitrinen für die Dauerausstellung des Vereins.

Der Schritt ins 21. Jahrhundert: das virtuelle Migrationsmuseum

Seit 2017 ist Sandra fest als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei DOMiD angestellt und entwickelt zusammen mit Kolleginnen das von bpb finanzierte Modellprojekt eines virtuellen Migrationsmuseums. Das virtuelle Migrationsmuseum will das Thema Migration multiperspektivisch betrachten und dabei verschiedene digitale Vermittlungsformate nutzen, wie begehbare animierte virtuelle Räume und 3D-Objekte. Es wird mit ausgewählten Objekten und Fotos, aber auch mit Interviews und Videos aus der Sammlung bestückt. Dass die Unterstützung eines zentralen Migrationsmuseums im Juni 2017 fest im Koalitionsvertrag der Landesregierung verankert wurde, lässt Sandra hoffen, dass die Ziele und Inhalte von DOMiD endlich stärker im Bewusstsein der Politik und Gesellschaft angekommen sind: „DOMiD sammelt, archiviert, dokumentiert, erforscht Migrationsgeschichte(n), und bewahrt sie für künftige Generationen. Mit der Vermittlungs- und pädagogischer Arbeit in der digitalen und in der realen Welt leistet DOMiD einen wichtigen Beitrag in der politischen und historischen Bildung. Auch dies ist wichtig, um Rassismus zu bekämpfen und die gesellschaftliche Wahrnehmung der Migration zu verändern. Migration ist der Normalfall! – und muss endlich als solcher akzeptiert werden.“