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Umstrukturierung der a.r.t.e.s.-Graduiertenklassen für Literatur und Linguistik

Welche Veränderungen hat es aus der Perspektive unserer Mentorinnen und Mentoren gegeben?

von Lars Juschka

Die Promovierenden im strukturierten Modell des a.r.t.e.s. Integrated Track gehören während ihrer Förderzeit jeweils einer der a.r.t.e.s.-Graduiertenklassen an. Ihre Promotionsprojekte werden dort in einem weiter gefassten thematischen und interdisziplinären Rahmen diskutiert. Die Themen der Klassen sind in historischer, systematischer und methodischer Hinsicht aufeinander bezogen und bilden Schwerpunkte, die mit den Forschungsschwerpunkten und Exzellenzfeldern der Philosophischen Fakultät korrespondieren.

Gestartet ist a.r.t.e.s. 2008 mit fünf Graduiertenklassen, die sich seither beständig weiterentwickelt haben. Kamen in den letzten Jahren bereits zwei Klassen hinzu, steht nun die nächste essentielle Veränderung an. In Zusammenarbeit mit dem im Januar 2017 neu an der Universität zu Köln gestarteten Sonderforschungsbereich 1252 entsteht ab dem kommenden Semester die a.r.t.e.s.-Graduiertenklasse 8 „Prominenz in Sprache“, die die bisherigen sieben Graduiertenklassen ergänzt. Die neue Klasse 8 ist dezidiert auf linguistische und kognitionswissenschaftliche Fragestellungen im Bereich der Prominenz ausgerichtet und soll diese sowohl theoretisch modellieren als auch empirisch erforschen. Die Klasse 2, die sich bisher mit linguistischen Fragen beschäftigt hat und aus der die Klasse 8 hervorgegangen ist, wurde mit Fokus auf „Sprache, Diskurs und Kultur“ neu ausgerichtet und operiert nun disziplinübergreifend linguistisch, literaturwissenschaftlich und kulturwissenschaftlich mit den namensgebenden Konzepten. In dieser Klasse sollen besonders die Produktions- und Rezeptionsbedingungen der entsprechenden Diskurse erforscht werden. Wir haben die Mentoren der Klassen gebeten, uns die Schärfung der Klassenprofile zu erläutern.

 

a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne: Liebe Frau Professorin Schumacher, lieber Herr Professor Becker und Herr Professor Pethes, wie würden Sie die Ideen Ihrer Klassen 2 „Sprache, Diskurs und Kultur“ und Klasse 8 „Prominenz in Sprache“ beschreiben?

Petra Schumacher: Die Klasse 8 befasst sich mit dem Konzept der Prominenz, das wir als wichtiges Organisationsprinzip der Sprache – und möglicherweise auch der Kognition – betrachten. Ziel ist es, dieses Prinzip zu charakterisieren und zu überprüfen, inwieweit es Einfluss auf alle sprachlichen Beschreibungsebenen, von der Laut- über die Satz- bis zur Diskursebene, hat. Hierfür befassen sich die einzelnen Promotionsprojekte mit der theoretischen Einordnung, typologischen Aspekten oder den kognitiven Konsequenzen von Prominenz in Sprache.

Martin Becker: In der neu profilierten Klasse 2 soll es darum gehen, in einen intensiven Austausch über Phänomene im Spannungsfeld der drei Begriffe „Sprache, Diskurs und Kultur“ zu kommen, die für die Literatur- und Sprachwissenschaft gleichermaßen von Interesse sind. Dabei sollen gemeinsame und unterschiedliche begriffliche und methodische Zugriffe sowie Modellierungen diskutiert und problematisiert werden. Bei diesem Austausch wollen wir auch ausloten, was wir voneinander lernen können bzw. ‚was sich Literatur und Sprachwissenschaft noch zu sagen haben‘.

Nicolas Pethes: Unser Interesse zielt auf Begriffe und Modelle, die für sprach- und literaturwissenschaftliche Analysen gleichermaßen relevant sind – geleitet von der Überzeugung, dass jeder interdisziplinäre Austausch solche gemeinsamen Bezugspunkte benötigt, auch und gerade wenn in den verschiedenen Fächern damit Unterschiedliches gemeint sein mag. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die drei ausgewählten Begriffe „Sprache, Diskurs und Kultur“ auch untereinander in einem produktiven Wechselverhältnis stehen, anhand dessen die Ausbildung, Tradierung und Stabilisierung kultureller Codierungen – also z. B. von Metaphern, Kollektivsymbolen, aber auch fiktionalen Artefakten – nachvollzogen werden kann.

 

Was reizt Sie an der Mitarbeit bei a.r.t.e.s. und insbesondere in den Graduiertenklassen?

NP: Natürlich der Blick über den Tellerrand der eigenen Disziplin und das Interesse, in welchem Licht die Fragen meines Faches aus der Perspektive eines anderen erscheinen. Dass Doktorandinnen und Doktoranden einander von der Relevanz ihres Tuns überzeugen müssen, auch wenn sie jeweils auf ganz andere Art und Weise forschen, ist ohne Frage eine große Bereicherung der Graduiertenausbildung. An sinnvoll gezogenen Grenzen und methodischen Identitäten der einzelnen Fächer sollten wir allerdings weiter festhalten. Nicht alles, was in einer Disziplin relevant ist, muss in einer anderen nachvollziehbar sein, und wo dies der Fall ist, sollte man es auch anmerken, anstatt zwanghaft nach dem kleinsten gemeinsamen Komplexitätsnenner zu suchen. Interdisziplinärer Austausch kann mit anderen Worten auch in der deutlicheren Konturierung des Erkenntnisinteresses und Methodeninventars einer Einzeldisziplin bestehen.

PS: Mir persönlich bereitet es viel Freude, junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf ihrem Weg zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, eine eigenständige wissenschaftliche Persönlichkeit zu entwickeln. Eine strukturierte Graduiertenausbildung, wie sie bei a.r.t.e.s. gelebt wird, ermöglicht es, inhaltliche Reife durch einen intensiven Austausch zu entwickeln und über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Die Dynamik, die in den Klassensitzungen entsteht, ist sehr erfrischend, und der Zusammenhalt der Mitglieder ist ein kostbares Gut. Ich schätze es auch sehr, dass durch die interdisziplinäre Ausrichtung von a.r.t.e.s. der eigene Horizont geweitet werden kann und zu einem frühen Zeitpunkt die eigene Forschung für ein breites Publikum zugänglich gemacht werden soll. Das führt aus meiner Sicht zu einer präzisen Formulierung und Abgrenzung der eigenen Fragestellungen und Analysen.

MB: Mich reizt ebenfalls nach wie vor der anregende Austausch über die engen Fachgrenzen hinaus, der in der neuen Konstellation aufgrund der interdisziplinären Perspektive sehr spannend zu werden verspricht. Mir hat es auch viel Freude bereitet, die Doktorandinnen und Doktoranden beim Fortgang ihrer jeweils ganz eigenen Forschungsarbeiten zu begleiten. Für die Doktorandinnen und Doktoranden dürfte es eine interessante Herausforderung werden, sich im Rahmen der Neukonzeption der Klasse 2 mit unterschiedlichen disziplinären methodischen Zugriffen und Perspektiven auseinanderzusetzen. Ich denke, dass alle Beteiligten dabei nur gewinnen können: durch die Weiterung des theoretischen und methodischen Horizonts schärft sich zugleich der Blick für die Spezifizität der eigenen wissenschaftlichen Fragestellung, das methodische Problembewusstsein und letztlich das eigene fachliche Selbstverständnis und Profil.

 

Die Graduiertenklasse 2 ist interdisziplinär angelegt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen "den Literaturwissenschaftler/inne/n" und "den Sprachwissenschaftler/inne/n" in der Klasse 2? Welche Chancen und Probleme ergeben sich Ihrer Meinung nach aus der Interaktion der verschiedenen Forschungsfelder und -ansätze?

NP: Das ist für mich als Germanist vielleicht die interessanteste Frage. Unser Fach hat bekanntlich, wie andere Philologien auch, eine lange Tradition, in der Sprach- und Literaturwissenschaft als zusammengehörig betrachtet wurden. Einige nach wie vor aktuelle Organe des Fachs wie z. B. LiLi, die Siegener Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, tragen diesen Anspruch auch immer noch im Namen, und in der Mediävistik ist er auch nach wie vor Grundlage. In der Neugermanistik aber haben sich die Wege der beiden Abteilungen in den letzten Jahren auf einer Weise getrennt, dass man fast von ‚zwei Kulturen’ sprechen könnte, um diese vielzitierte, wenngleich allzu simple Diagnose von C. P. Snow noch einmal zu bemühen: Gerade im Lichte der sogenannten kulturwissenschaftlichen Wende der letzten beiden Jahrzehnte versteht sich die Literaturwissenschaft als eine historische und im weitesten Sinne hermeneutische Disziplin, während in der Sprachwissenschaft im gleichen Zeitraum zunehmend empirische Methoden, z. B. aus der Kognitionsforschung, eine große Rolle spielen. Dass aber beide Abteilungen sprachliche Strukturen, diskursive Ordnungen und kulturelle Kommunikationsformen zum Gegenstand haben, bleibt dennoch eine Gemeinsamkeit, und die Herausforderung wird darin bestehen, trotz der methodischen Unterschiede, die es wie erwähnt weder zu leugnen noch zu verwässern gilt, zu diskutieren, welchen Mehrwert die Konstellierung unterschiedlicher Zugänge zu den nominell gleichen Phänomenen haben kann. Das ist umso wichtiger, als sich im Rahmen der Institutionalisierung der sogenannten ‚Digital Humanities‘, in denen die Linguistik einen langen Vorsprung vor der Literaturwissenschaft hat, ohnehin andeutet, dass die beiden Bereiche in Zukunft methodisch wieder enger aneinander heranrücken werden. Dieser Institutionalisierungsprozess einer neuen Forschungspraxis und seine Konsequenzen für den interdisziplinären Austausch ist etwas, das mich derzeit auch im Rahmen meiner eigenen Forschungen intensiv beschäftigt, und vielleicht bietet unsere neue a.r.t.e.s.-Klasse ja auch dafür interessantes Anschauungsmaterial.

 

Frau Professorin Schumacher, was erwarten sie dagegen von der Konzentration auf linguistische und kognitionswissenschaftliche Ansätze und Fragestellungen in der Klasse 8 im Gegensatz zur breiter aufgestellten
Klasse 2?

PS: Durch die theoretische, typologische oder experimentelle Ausrichtung der einzelnen Promotionsprojekte wird das Konzept der Prominenz aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Die Klassenstruktur bietet hier die Möglichkeit die eigenen Konzepte unter Berücksichtigung anderer Zugangsformen zu schärfen und einen Einblick in andere methodologischen Zugänge zu gewinnen. Meine Hoffnung ist es, dass der Austausch zwischen linguistisch-theoretischen und kognitionswissenschaftlichen Herangehensweisen zu einer besseren, einheitlichen Modellierung der zugrundeliegenden Mechanismen und Prinzipien führt.

 

Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit ihren jeweiligen Co-Klassenmentor/inn/en?

PS: Marco García García vertritt die Sprachwissenschaft der Romanistik und ich die Germanistik. Insgesamt sind die sprachwissenschaftlichen Fächer in Köln hervorragend vernetzt und es gibt eine rege Kommunikation und Interaktion, zum Beispiel über das Cologne Center of Language Sciences (CCLS). Wir sind beide Antragsteller im SFB und hatten dadurch schon zahlreiche Berührungspunkte. Der SFB steht inhaltlich auf drei Säulen, die wir abdecken: Marco García García forscht im Bereich B zu Prominenz in Morphosyntax und Semantik, während ich ein Projekt im Bereich A (Prosodische Prominenz) und C (Prominenz im Diskurs) habe. Darüber hinaus spielt die sprachvergleichende und experimentelle Ausrichtung des SFBs in unserer Forschung eine wichtige Rolle. Auf diese Weise ergänzen wir uns sehr gut und decken ein breites Themenspektrum innerhalb der neuen Klasse 8 ab.

MB: Nicolas Pethes und ich haben uns schon mehrmals getroffen, um uns über die neue Konzeption der Klasse 2 zu verständigen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit, zumal er der interdisziplinären Perspektive ebenfalls außerordentlich aufgeschlossen gegenübersteht. Ich erwarte, selber viel Neues aus unserem interdisziplinären Austausch zu lernen und bin gespannt, wie weit sich am Ende Literatur- und Sprachwissenschaft (wieder) annähern.

NP: Wir haben schon feststellen können, dass wir eine ganze Reihe gemeinsamer Interessen haben, insbesondere was sprachgeschichtliche Fragestellungen angeht. Wir sind uns einig, dass die neue Klasse ein Experiment ist, aber das im vollen Selbstbewusstsein, dass Experimente höchst dynamische „Maschinen zur Herstellung von Zukunft“ sind, wie der französische Molekularbiologe und Wissenschaftstheoretiker François Jacob das in seinem Buch mit dem sprechenden Titel Das Spiel der Möglichkeiten einmal bezeichnet hat – auch und gerade, wenn am Ende etwas ganz Anderes herauskommt, als man zu Beginn gedacht hatte.

 

Wir danken Petra Schumacher, Martin Becker und Nicolas Pethes für das Gespräch!