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Dissertationsprojekt von Manuel Lorenz

Der stoische Begriff von der „Pflicht“ (καθῆκον) und seine Adaption in Kaiserzeit und Spätantike (Arbeitstitel)

Ich untersuche einen zentralen Begriff der ethischen und politischen Terminologie in Antike und Spätantike. Es geht um die Entstehung, Entwicklung und Verwendung des griechischen kathêkon, das die lateinische Tradition als officium wiedergibt und das noch bis in unseren heutigen Begriff der Pflicht hineinwirkt.

Wer moderne Übersetzungen aufschlägt, findet eine Unmenge an Versuchen, den Begriff einheitlich zu übersetzen. Sie reichen von ethisch neutral wirkenden Ausdrücken wie „proper function“ oder „passende Funktion“ über „das Sich-gehörende“, „le convenable“ und „appropriate action“ bis hin zu streng moralischen Begriffen wie „duty“, „devoir“ oder eben „Pflicht“. Bereits die Divergenz dieser Versuche illustriert die Vielschichtigkeit dieses Begriffs. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, könnte man ein kathêkon als etwas definieren, was aus bestimmten Gründen angemessen ist. Der Gebrauch läuft also auf die Begründung und Legitimierung bestimmter Handlungen hinaus. In meiner Arbeit versuche ich nun zu zeigen, wie die Begründungsstrategien je nach Intention und Theorierahmen des jeweiligen Autors variieren. Dies tue ich anhand von drei Stationen:

(1.) In der frühen Stoa (um 300 v. Chr.) wird der Begriff in die ethische Terminologie eingeführt. Hier hat er seinen naturalistischen Ursprung. Als kathêkonta werden Aktivitäten bezeichnet, die dem zweckmäßigen Ablauf der Natur entsprechen und die sich bspw. auch an Pflanzen und Tieren beobachten lassen. Das kathêkon repräsentiert damit eine teleologische Naturnorm, die letztlich auch für menschliche Handlungen gelten soll.
(2.) In Ciceros Werk De officiis (44 v. Chr.) lassen sich politisierende Tendenzen nachweisen. Als Politiker und Staatstheoretiker bindet Cicero die normative Kraft des officium an den konkreten Nutzen für die Gesellschaft und letztlich an die Wiederherstellung der politischen Ordnung in der untergehenden römischen Republik.
(3.) In Simplikios‘ Kommentar zu Epiktets Handbüchlein der Moral (frühes 6. Jh.) wird der Begriff weniger in einen solch politischen Dienst gestellt. Vielmehr ist er hier, entsprechend dem neuplatonischen Weltbild, Teil einer ethischen Grundausbildung, die die Seele in die Verfassung zur Erreichung höherer, jenseitiger Ziele versetzen soll.

 

Kurzbiographie

Manuel Lorenz arbeitet seit 2015 an oben genanntem Promotionsprojekt. Die Arbeit wird im Rahmen eines binationalen Promotionsverfahrens (Cotutelle de Thèse) an der Universität zu Köln von Prof. Dr. Christoph Helmig sowie an der Université de Fribourg von Prof. Dr. Filip Karfik betreut. Vor der Promotion konnte Manuel ein Staatsexamen (2014, Universität zu Köln), ein künstlerisches Diplom (2013, BA of Music, Hochschule für Musik und Tanz Köln) und das Seepferdchen (1991, Schwimmbad Kellenhusen) ergattern.

Kontakt: lorenz.manuel(at)gmail.com

 

Vorträge

„Zur Politisierung des kathêkon-Begriffs in Ciceros De officiis.“
Départment de philosophie, Université de Fribourg, 23.03.2017

„Der stoische Begriff von der ‚angemessenen Handlung‘ (kathêkon/officium) und seine Adaption in Kaiserzeit und Spätantike.“
Arbeitskreis Ethik der Gesellschaft für Antike Philosophie, Universität Bamberg, 17.2.2017

„Von Pflanzen und Pflichten – Zum naturalistischen Ursprung des stoischen Begriffs von der angemessenen Handlung (kathêkon).“
Jahreskolloquium der Gesellschaft für Antike Philosophie, Universität zu Köln, 14.1.2017

“The naturalistic basis of the Stoic notion of ‚appropriate action’ (kathêkon).”, Conférence Universitaire de Suisse Occidentale, Université de Lausanne, 11.11.2016

„Populismus oder politisches Potential? – Heiden und Christen im Streit über den politischen Nutzen ihrer Lehren.“
Départment de philosophie, Université de Fribourg, 26.10.2016

„Populismus oder politisches Potential? – Heiden und Christen im Streit über den politischen Nutzen ihrer Lehren.“ (zusammen mit Ercole Ercolei, Uni Bonn)
5. internationaler Kongress der Gesellschaft für Antike Philosophie, Universität Zürich, 7.9.2016

„Pflicht und Wille – Grundbegriffe der antiken Ethik?“
Inter University Center, Dubrovnik (Kroatien), 29.09.2015

„Freedom and prohairesis in Simplicius.“
European Graduate School for Ancient and Medieval Philosophy, Castro (Italien), 03.09.2015

„Zwischen Weltflucht und Lebenspraxis – Untersuchungen zu einer normativen Ethik des Platonismus.“
Départment de philosophie, Université de Fribourg, 28.5.2015

 

Lehrveranstaltungen

Sommersemester 2016

„Griechisch für Philosophen I“, Philosophisches Seminar, Universität zu Köln

Wintersemester 2015/16

„Über die Pflichten“ (Ciceros De officiis, zusammen mit Prof. Helmig), Philosophisches Seminar, Universität zu Köln

„Griechisch für Philosophen II“, Philosophisches Seminar, Universität zu Köln

Sommersemester 2015

„Griechisch für Philosophen I“, Philosophisches Seminar, Universität zu Köln

 

Titelbild: "Diogenes Laertios' Bericht über das kathêkon" (Foto: Manuel Lorenz) // Portraitfoto: Patric Fouad